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Prävention durch Tanz für Mädchen und junge Frauen

Erleben, was der eigene Körper kann

von Adriana di Cesare
min
28.11.2024
Das Projekt «roundabout Schweiz» hilft Mädchen und jungen Frauen, über das Tanzen ein gesundes Selbstbild zu entwickeln. Das Blaue Kreuz Schweiz führt Gruppen in vielen Kantonen und möchte das Projekt nun auch in der Stadt Schaffhausen ansiedeln. Gesucht dafür sind Leiterinnen ab 18 Jahren.

Die 19-jährige Samira tanzt seit neun Jahren bei «roundabout», zuerst als Teilnehmerin, dann als Leiterin. «Ich habe viel gelernt, seit ich hier eingestiegen bin», sagt die junge Frau aus Landquart. «Das Tanzen mit anderen macht mir grossen Spass. Als Leiterin habe ich gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Das hat mich weitergebracht auf meinem Weg und mich zu dem gemacht, was ich heute bin.»

Auch die 17-jährige Thuva aus Zollikon ist seit der dritten Klasse dabei. «Ich habe beim Tanzen entdeckt, was mein Körper kann und was Bewegung in mir auslöst. Das hilft mir, mich zu akzeptieren, wie ich bin.»

Gesundes Körpergefühl entwickeln

Deborah Greuter betreut das Projekt «round about» vom Blauen Kreuz Schweiz in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen. «Es berührt mich, dass junge Frauen wie Samira und Thuva über das Tanzen und die Gemeinschaft in der Gruppe einen Entwicklungsprozess durchlaufen, der ihnen hilft, sich selbst zu sein.»

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Im Jahr 2000 überrollte eine Magersuchtswelle die Schweizer Jugendszene. «Wir fragten uns damals, wie eine zielführende Prävention aussehen könnte. Bei ‹roundabout › erleben die Mädchen ihren Körper durch coole Bewegungen. Das löst etwas in ihnen aus und hilft, Frieden mit dem eigenen Spiegelbild zu schliessen und ein gesundes Körpergefühl zu entwickeln.» Diversität spielt dabei eine grosse Rolle. «Bei uns kann man bei jedem Gewicht tanzen, und es besteht keinerlei Leistungsdruck. Jede tanzt so, wie sie es kann.» Die Projektleiterin hält fest, dass ein gewisses Konkurrenzdenken verflacht. «Möglichst cool und sexy sein zu müssen, fällt weg, weil nur Mädchen da sind. Das Aussehen, das sonst so wichtig ist, wird zweitrangig.»

Auch heute sei Thema Nummer eins, die eigene Identität zu finden.« ‹Wer bin ich?›, ‹Was kann ich?›, ‹Wann bin ich wertvoll?› sind Fragen, die junge Menschen bewegen.» Jede Gruppe trifft sich wöchentlich für eine Stunde zum Training. Nach einem Warm-up üben die Teilnehmerinnen eine Choreografie ein. Dann ist bei Snacks und Drinks Zeit für Themen, die Jugendliche beschäftigen. «Manchmal möchten die Mädchen über Mobbing oder Social-Media-Plattformen reden. Wir sprechen aber auch über Ernährung und physische Gesundheit. Krafttraining gehört bei den Proben dazu.»

Spiele und Hilfsmittel wie Fragekärtchen oder Checkbögen dienen der Gruppenleiterin als Anhalte für Gesprächsrunden. «Wir thematisieren auch Sucht und psychische Probleme. Generell ermutigen wir die Mädchen, darüber zu reden, wenn sie sich aus irgendeindem Grund in ihrer Haut nicht wohlfühlen, und versuchen, eine positive Eigenwahrnehmung zu stärken.»

Deborah Greuter macht die Erfahrung, dass der Zusammenhalt in der Gruppe dabei stärker zählt als das Tanzen. «Die Mädchen melden uns oft zurück, dass ihnen die Gemeinschaft am wichtigsten sei, die Beziehungen untereinander.» Mittanzen kann jedes Mädchen zwischen dem 8. und dem 20. Lebensjahr. Wenn eine Teilnehmerin motiviert ist, freiwillige Leiterin zu werden, wird sie langsam in die Verantwortung nachgezogen. Sie kann Schulungen im tänzerischen und im organisatorischen Bereich besuchen. Mit 18 darf sie eine Gruppe alleine leiten.

Kursstart im HofAckerZentrum

In der ganzen Schweiz leiten aktuell 315 freiwillig engagierte junge Frauen 146 «roundabout»-Gruppen. Mehr als 1200 Teilnehmerinnen tanzen wöchentlich in Kids- oder Youth-Gruppen. Partnerorganisationen unterstützen das Angebot, darunter viele Kirchgemeinden. «In einer Kirchgemeinde besteht der Vorteil, dass sich die Leute kennen und Mädchen und junge Frauen durch persönliche Hinweise zu uns stossen, um einmal hineinzuschnuppern.»

In der Stadt Schaffhausen soll eine neue «roundabout»-Gruppe entstehen. Als Probeort ist das Hof Acker Zentrum in Buchthalen vorgesehen. «Der Raum eignet sich mit seiner grossen Bühne sehr gut», so Deborah Greuter. Ob das Projekt Fuss fassen kann, hängt davon ab, ob sich Leiterinnen dafür finden. «Wir suchen junge Frauen ab 18 Jahren, die Freude haben an Bewegung und Tanz und der Arbeit mit jungen Mädchen.» Tanzprofis müssen Interessentinnen nicht sein. «Wir sind offen für verschiedene Tanzrichtungen, man kann bei uns auch mit wenig Tanzerfahrung einsteigen.» Ein Leiterteam besteht in der Regel aus mehreren Personen. «Es braucht jeweils eine tänzerische und eine organisatorische Leiterin. So verteilt sich die Arbeit auf mehrere Schultern.»

Obwohl das Projekt schweizweit gut läuft, gestaltet sich die Suche nach Leiterinnen nicht immer einfach. «Jemand muss tanzen können und Interesse daran haben, Werte zu vermitteln. Das trauen sich nicht alle zu», so Greuter. Diejenigen, die sich darauf eingelassen haben, berichten von wertvollen Erfahrungen. «Ich hätte nie gedacht, wieviel Arbeit in so einer Stunde steckt, es ist spannend dahinterzublicken.» Ihre Kollegin Rowena aus Glarus ist ebenfalls auf dem Weg zur Leiterin. «Ich habe in der Gruppe gelernt, was Zusammenhalt heisst, und kann euch sagen: Jede kann das schaffen.»

 

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