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Justiz

Erst das Recht, dann die Taufe: Urteil im Fall Genfersee

von Marius Schären / reformiert.info
min
15.04.2024
Eine Genfer Kirche darf keine Taufen im See vornehmen: Das bestätigte das Bundesgericht. Aus Sicht der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz ist das in Ordnung – in diesem Fall.

Bis vor Bundesgericht ging die reformierte Kirche Eglise évangélique de Cologny, weil sie sich von den kantonalen Instanzen in Genf nicht rechtens behandelt fühlte. Denn das Gesuch der Kirche um eine Taufe im Genfersee – auf öffentlichem Grund – war ihr verwehrt worden. Sie müsse sich vorgängig registrieren und damit anerkennen, dass die Schweizer Rechtsordnung Vorrang hat bei allen ihr widersprechenden Pflichten, lautete die Begründung. 

Das verlangt das kantonale Gesetz über den Laizismus in Genf. Nur registrierten Organisationen können kultische Veranstaltungen auf öffentlichem Grund bewilligt werden. Aus diesem Grund wehrten sowohl die kantonalen Instanzen als nun auch das Bundesgericht die Beschwerde der Kirche ab. Denn die Eglise évangélique de Cologny hat sich bisher nicht registriert. 

«Zunehmende Einschränkung der Religionsfreiheit» 

Hohe Wellen warf der Entscheid bei der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA). Kurz nach der Mitteilung des Bundesgerichts publizierte die Dachorganisation von evangelischen Freikirchen und Kirchgemeinden eine Mitteilung. Für die betroffene Kirche und die SEA sei das Urteil eine grosse Enttäuschung, die mit Unverständnis verbunden sei, heisst es darin. Und obendrauf: «Dieser Entscheid zeugt von der zunehmenden Einschränkung der Religionsfreiheit im Kanton Genf.»

Es ist auch zu bemängeln, dass religiöse Organisationen von vornherein als verdächtig behandelt werden.

Schliesslich habe die evangelische Freikirche von Cologny «seit Langem Erwachsenentaufen durch Untertauchen» zelebriert, im Rahmen «einfacher und friedlicher Zeremonien im Genfersee». Doch nun, nachdem die Ausführungsverordnung zum Genfer Gesetz über die Laizität des Staates verabschiedet worden war, «verweigerte das zuständige Departement der Kirche das Recht, diese Praxis fortzusetzen», beklagt sich die SEA. Begründet worden sei dies damit, dass die Kirche von Cologny «keine offiziellen Beziehungen zum Staat» unterhalte.

Die Allianz der Freikirchen ärgert sich weiter über das Urteil: «Es ist auch zu bemängeln, dass religiöse Organisationen von vornherein als verdächtig behandelt werden.» Es werde bezogen auf Veranstaltungen von ihnen eine Verpflichtung gegenüber dem Staat verlangt, die von anderen Nutzenden des öffentlichen Bereichs nicht verlangt werde. 

Nicht Beziehung, sondern Registrierung

Doch was hat das Bundesgericht tatsächlich gesagt? «Der Kanton Genf hat die Prüfung des Gesuchs verweigert, weil die Eglise évangélique de Cologny nicht zuvor um die erforderliche Registrierung gemäss dem kantonalen Recht ersucht hatte.» Das Bundesgericht spricht also nicht von einer «Beziehung», sondern von einer Registrierung. Der Aufwand dafür sei für religiöse Organisationen gering, hält es weiter fest. Sie müssten lediglich ihre Zulassung nach kantonalem Recht beantragen und die Verpflichtungserklärung unterzeichnen.

Mit dieser Erklärung anerkennen Unterzeichnende Organisationen den Vorrang der Schweizer Rechtsordnung und der Grundrechte vor allen ihnen widersprechenden religiösen Pflichten. Und diese Verpflichtung stelle keine Diskriminierung aufgrund religiöser Überzeugungen dar, urteilte das Bundesgericht mit einer anderen Haltung als die SEA. «Die Voraussetzung der Registrierung ist im öffentlichen Interesse und verhältnismässig.»

EKS: Kein schwerer Eingriff in Religionsfreiheit

Bei der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) verursacht das Bundesgerichtsurteil allenfalls ganz leichten Wellengang. Die betroffene Kirche – die nicht zu den EKS-Mitgliedkirchen zählt – sei nicht vom Kanton Genf registriert, und das Bundesgericht berücksichtige die kantonale Hoheit über Religionsfragen, hält Stephan Jütte fest, Leiter Theologie, Ethik und Kommunikation bei der EKS. «Die Erfordernis einer vorgängigen Registrierung ist unser Erachtens an sich kein schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit, da die Registrierung allen Religionsgemeinschaften offensteht.»

Religiöse Gemeinschaften müssen das geltende Recht respektieren. Hoffentlich nicht zähneknirschend und mit der Faust im Sack, sondern aus eigener Überzeugung.

Dass in einer solchen Erklärung der Schweizer Rechtsordnung Vorrang eingeräumt werden muss vor allen ihr widersprechenden religiösen Pflichten, sei gerade im Blick auf das Familienrecht verständlich, beispielsweise mit Blick auf die Zwangsheirat. Jütte betont aber auch: «Was die Taufe selber angeht, so hat diese für Christen eine grundlegende Bedeutung, und es ist wichtig, dass sie für registrierte Kirchen auch auf öffentlichem Grund, zum Beispiel in Seen, durchgeführt werden kann.» Die EKS gehe daher davon aus, dass ein Gesuch durch eine registrierte Kirche bewilligt würde, wie beispielsweise bei der EKS-Mitgliedskirche reformierte Kirche Genf (Église protestante de Genève). 

Nicht grundsätzlich verdächtig

Aus Sicht der EKS sind Religionsgemeinschaften im Kanton Genf aber nicht grundsätzlich «verdächtig», wie es die SEA sieht – sofern sie nach dem Anerkennen des Vorrang säkularen Rechts gleich behandelt würden wie andere Organisationen. Dass religiöse Gemeinschaften das geltende Recht respektieren, ist für den EKS-Leiter Theologie und Ethik in Ordnung. «Hoffentlich nicht zähneknirschend und mit der Faust im Sack, sondern aus eigener Überzeugung.» Schliesslich gälten in der Öffentlichkeit des liberalen Rechtsstaates gleiche Rechte und Pflichten für alle Menschen. «Religiöse Zugehörigkeit dispensieren Bürgerinnen und Bürger weder von diesen Pflichten noch verwehrt ihnen der Staat auf Grund dieser Zugehörigkeit ihre Rechte.» 

Eine Bedingung aus Sicht der EKS ist gemäss Jütte aber, dass die vom Kanton registrierten Religionsgemeinschaften «ohne übermässige Hürden Veranstaltungen auf öffentlichem Grund durchführen können». Gerade in Genf würden religiöse Veranstaltungen noch wesentlicher als anderswo durch Freiwillige und Laien mitgetragen, da kultische Zielsetzungen keine finanzielle Unterstützung erhalten. «In diesem Zusammenhang sind effiziente und einfache Bewilligungsverfahren zentral», betont Stephan Jütte.

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