«Es geht nur gemeinsam»
«Jetzt wird es also tatsächlich ernst.» Dieser Gedanke ging Christina Aus der Au durch den Kopf, nachdem sie von der Synode Anfang Juli mit 67 von 113 Stimmen zur neuen Kirchenratspräsidentin gewählt wurde – als erste Frau überhaupt. Mit dem Bischofszeller Gemeindepfarrer Paul Wellauer hatte sich die Theologin im Vorfeld einen intensiven, aber fairen Zweikampf geliefert. Das Wahlresultat fiel letztlich deutlicher aus als erwartet. Wellauer erzielte 46 Stimmen.
Ermöglichen statt vorschreiben
Was wird sich ab Juni 2022 ändern, wenn Christina Aus der Au das Kirchenratspräsidium von Pfarrer Wilfried Bührer übernimmt? Die 55-jährige Frauenfelderin steht für eine progressive Kirche. Sie betont, dass sie die Thurgauer Gemeinden gerne in Richtung einer offenen Kirche weiterführen möchte, damit sie auch diejenigen Menschen anzusprechen vermag, die sonst nicht viel mit Kirche zu tun haben. Indes sei sie sich um die föderalistische Struktur mit starken, vielfältigen Kirchgemeinden bewusst. Sie wolle deshalb nicht vorschreiben, sondern ermöglichen: «Ich sehe mich in der Rolle der Gärtnerin, die schaut, dass die Pflanzen wachsen können und dort Unterstützung bietet, wo es nötig ist.» Stärker mitreden soll die Thurgauer Landeskirche in der gesellschaftlichen Debatte. Diesbezüglich möchte Aus der Au auch die Zusammenarbeit mit den Reformierten in den Nachbarkantonen ausbauen. Ganz sicher ändern wird sich die Grösse des Kirchenrats. Weil Christina Aus der Au nicht ordiniert ist, muss die Synode im Herbst ein sechstes Mitglied für den bislang fünfköpfigen Kirchenrat wählen. Das neue Mitglied muss als Pfarrperson oder Diakonin beziehungsweise Diakon ordiniert sein.
Den Gräben entgegenwirken
Die grösste Herausforderung dürfte für Christina Aus der Au darin bestehen, die beiden Lager aus den eher progressiv eingestellten Mitgliedern auf der einen Seite und den eher konservativ eingestellten auf der anderen zusammenbringen. Gleich nach der Wahl appellierte sie an die Synodalen: «Um mein Amt auszuführen brauche ich euch alle. Lasst uns die Hände reichen, zusammenstehen und unsere Vielfalt zeigen. » Paul Wellauer rief seine Unterstützerinnen und Unterstützer dazu auf, nicht zuzulassen, dass Gräben aufgerissen werden: «Wir bauen alle an unserer Thurgauer Landeskirche. » Auch deshalb blickt Aus der Au optimistisch nach vorne: «Ich habe einige schöne Signale erhalten, die mir zeigen, dass hüben und drüben viele Brückenbauer und Brückenbauerinnen am Werk sind. Letztlich können wir Kirche nur gemeinsam gestalten – in aller Vielfalt und Farbigkeit und in ständiger Bewegung.»
(Cyrill Rüegger)
«Es geht nur gemeinsam»