«Es ist ein Akt der Nächstenliebe»
Der Elektroingenieur Josef Jenni (64) hat die Entwicklung der Sonnenenergienutzung in der Schweiz geprägt wie sonst kaum jemand. Gemäss eigenen Worten ist er ein «Club of Rome-Kind»: Dessen Buch «Grenzen des Wachtums» habe bei ihm noch während des Studiums zu Beginn der 70er-Jahre ein Schlüsselerlebnis ausgelöst.
Diesem Erlebnis folgte ein konsequenter und heute erfolgreicher Weg als Unternehmer. Er baute die Jenni Energietechnik AG bei Burgdorf (BE) auf. Die Spezialität der Firma sind Sonnenheizungen: Grosse Tanks und ausgeklügelte Steuerungen machen möglich, dass ganzjährig genug Warmwasser aus Sonnenkraft zur Verfügung steht.
Anlagen von Jennis Firma wurden mehrfach ausgezeichnet: unter anderem mit dem Schweizer und dem europäischen Solarpreis, sein Lebenswerk mit dem «Watt d'Or» des Bundesamtes für Energie und das erste vollständig solar beheizte Mehrfamilienhauses Europas mit dem «Energy Globe National Award», einem Weltpreis für Nachhaltigkeit.
Herr Jenni, mit der Energiestrategie (ES) 2050 möchte der Bundesrat langsam einschwenken auf einen Weg, den Sie quasi seit Jahrzehnten fordern – kann man das so sagen?
Ja. Ganz klar positiv finde ich: Der Bund und die Behörden haben erkannt, dass wir handeln müssen und dass der Weg von den fossilen Energieträgern wie Erdöl, Kohle und Erdgas und von der Kernkraft wegführt.
Was gefällt Ihnen an der ES 2050, was nicht?
Die Energiestrategie befürworte ich, weil damit grundsätzlich endlich gehandelt wird. Nicht optimal finde ich, dass sie in Richtung Subventionswirtschaft geht und aufwendige Reglemente notwendig macht. So sind mit Subventionen im Bereich der Wärmepumpen und Holzfeuerungen Auflagen verbunden, die vor allem unnötige Mehrkosten generieren. Auch unsere Sonnenheizungen werden durch die Vorschriften um gegen 2000 Franken verteuert.
Was wäre denn besser?
Sinnvoller wäre eine ökologische Steuerreform, also Lenkungsabgaben. Berechnungen zeigen, dass diese grundsätzlich etwa fünf Mal wirksamer wären als Subventionen.
Können wir auch den Energiebedarf so weit herunterschrauben, dass eine nachhaltige Versorgung möglich wird?
Technisch und mit gutem Willen geht das. Die 2000-Watt-Gesellschaft wäre realisierbar. Aber am guten Willen fehlt es zurzeit noch.Wir sollten uns bewusst sein, dass teure Lösungen wie ein Tesla im Grund nicht ökologisch sind. Ein Auto hat schon den halben Dreck produziert, wenn es noch ungebraucht im Laden steht. Batterien haben nach wie vor ein Umwelt- und Rohstoffproblem.
Von den Gegnern wird bemängelt, dass mit der ES 2050 die Versorgung mit Strom nicht mehr ausreichend gesichert wäre. Wie sehen Sie das?
Wenn der absolut puritanische Weg eingeschlagen wird und Kernkraftwerke einfach abgeschaltet werden: Dann stimmt es. Die Energiewende zur komplett erneuerbaren Versorgung ist so nicht möglich. Für den Übergang dürfte die Nutzung von Gas und Öl unumgänglich sein. Die Wärme-Kraft-Kopplung erhält da eine grosse Bedeutung.
Denken Sie, dass zusätzlich zu den heute genutzten erneuerbaren Energiequellen (Sonne, Wind, Wasser, Geothermie, Biomasse) eine neue Technologie gefunden wird?
Ich glaube nicht daran, zurzeit sehe ich nichts in Sicht – aber ich möchte es nicht ausschliessen.
Wie hängen Ihr Engagement im Energiebereich und Ihr Glauben zusammen?
Ich komme aus einem klar christlichen Elternhaus mit einem zurückhaltenden Lebensstil. Mein Engagement sehe ich vor allem als Akt der Nächstenliebe. Ich finde es rücksichtslos – sich selbst und auch den anderen gegenüber –, so etwas Dringliches wie die Energiestrategie abzulehnen.
Wie wird in Ihrem Umfeld, in der Freien Missionsgemeinde, Ihr Engagement wahr- und aufgenommen?
Das ist durchzogen. Wir sind durchaus wohl in unserer Gemeinde. Vermutlich würde aber über Umweltanliegen eher mal gespottet, wenn Jennis nicht da wären.
Sind Sie eher pessimistisch oder optimistisch, was unsere Zukunft anbelangt?
Tatsächlich stelle ich fest, das selbst bei Konzernen ein Umdenken im Gang ist. Ich bin also sicher zuversichtlicher als noch vor fünf oder zehn Jahren. Und ich denke, dass einige Probleme durchaus mit Technik gelöst werden können. Aber eines bleibt trotzdem: Es geht immer noch zu wenig schnell.
Marius Schären / reformiert.info / 27. April 2017
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
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