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Seelsorge

«Es macht was mit einem» – Notfallseelsorge in Magdeburg

von epd/nin
min
23.12.2024
Beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg waren auch zahlreiche Notfallseelsorgende im Einsatz. Sie stehen den Betroffenen zur Seite, geben Halt und Orientierung. Doch auch sie müssen mit den Erlebnissen fertig werden.

Bei furchtbaren Ereignisse wie der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt schlägt auch die Stunde der Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger. Sie kümmern sich um die seelischen Wunden der Verletzten, hilflosen und traumatisierten Menschen, die nach ihren Angehörigen suchen, oder betreuen die Einsatzkräfte. Einer von ihnen ist Diakon Matthias Marcinkowski. Der katholische Geistliche war am Tag des Anschlags bis tief in die Nacht in Magdeburg im Einsatz, als ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien mit seiner ungebremsten Fahrt auf dem Weihnachtsmarkt mindestens fünf Menschen tötete und mehr als 200 teil schwer verletzte.

Bis zu 100 Notfallseelsorgende und Kriseninterventionskräfte seien Freitagnacht vor Ort gewesen, erzählt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese seien zum Teil gezielt in die umliegenden Krankenhäuser geschickt worden, um dort Verletzte oder Angehörige zu betreuen. Auch am Samstag stehen vor der Johanniskirche in der Nähe des Tatorts Ansprechpartner für Hilfesuchende bereit.

Räderwerk der Zusammenarbeit

Marcinkowski betont die gute Zusammenarbeit zwischen Polizei, Rettungskräften und Notfallseelsorgern. «Das Räderwerk hat hervorragend funktioniert», berichtet er. Zwei Notfallseelsorge-Teams gibt es in Magdeburg, eines davon koordiniert Corinna Pagels. Doch auch zahlreiche Kräfte aus der Region seien im Einsatz gewesen. «Wir haben alle verfügbaren Kräfte mobilisiert, wir waren sehr gut ausgestattet», berichtet Pagels. Bis halb zwei in der Nacht sei sie selbst vor Ort gewesen, auch am Samstagmorgen steht sie wieder am Gedenkort vor der Johanneskirche.

Am Tatort hätten zudem viele Passanten mitgeholfen, etwa Isolierdecken oder Infusionsbeutel gehalten, erzählt Marcinkowski. Nach und nach seien die Verletzten in Zelte gebracht worden. An einem Einkaufszentrum habe man Angehörige und Leichtverletzte versorgt. «Für den Notfallseelsorger geht es darum zu schauen, wer ist derjenige, der am wenigsten schreit und die meiste Hilfe braucht», betont der katholische Diakon. Oft sei er auch von anderen Helfern angesprochen und auf hilfsbedürftige Personen aufmerksam gemacht worden.

Durch die gezielte Ansprache hätten viele Betroffene eine erste Orientierung erhalten, beispielsweise auf der Suche nach verletzten Angehörigen. «Es war zwar chaotisch bis zum Schluss, aber nicht im negativen Sinne. Die Versorgung hat hervorragend funktioniert», berichtet der Seelsorger. Die Solidarität und die Professionalität, aber auch die Empathie seien positiv beeindruckend bei dem Leid, das über die Menschen hereingebrochen sei.

Die Notfallseelsorger sind laut Marcinkowski immer mit einer violetten Weste gekennzeichnet, um sichtbar zu sein. So gingen sie auf die Betroffenen zu, stellten sich kurz vor und fragten, ob die Person Hilfe brauche. «Dann muss man die Signale, die die Betroffenen senden, abschätzen, ob man länger bleiben sollte oder nicht», erklärt er. Dass er auf eine Abwehrhaltung bei den Menschen stosse, passiere dabei selten.

Leid wahrnehmen und mittragen

Für den Diakon hat dieser Dienst auch eine religiöse Dimension. «Der Gottesname 'Ich bin da' zeigt sich in dem Dienst von Notfallseelsorgern», sagt Marcinkowski. Das Leid wahrzunehmen und mitzutragen, das sei der entscheidende Dienst. Die Gewissheit, dass Opfer oder Rettungskräfte in ihrer Not nicht alleine seien, könne den Betroffenen Trost geben. Notfallseelsorger sorgten dafür, das Geschehene «mit tragbar» zu machen.

Wie er das Geschehen von Freitagnacht für sich selber verarbeitet, darauf hat der katholische Diakon noch keine abschliessende Antwort. Am Samstagabend wolle er zu dem Gedenkgottesdienst im Dom gehen: «Das ist für mich als christlicher Seelsorger die Form, das Geschehene ins Gedenken und ins Gebet zu nehmen.» Hinzu komme die Supervision, also die interne Nachbesprechung. Marcinkowski will sich zudem bewusst Auszeiten nehmen, um Abstand zu dem Geschehenen zu gewinnen.

Corinna Pagels hilft sich noch auf andere Art: Sie denke an die Menschen, die verschont geblieben seien, und sei dankbar, dass sie selber unverletzt geblieben ist. «Aber es macht was mit einem, und es gibt Bilder, die man nicht loswird», gesteht sie ein.

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