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US-Wahlen

«Es spielt keine Rolle, ob Trump ein guter Christ ist»

von epd/Süss-Demuth
min
30.10.2024
Religion als Wahlkampfwaffe: Der Amerikanistikprofessor Jan Stievermann erklärt, warum viele weisse Evangelikale in den USA Donald Trump als göttliches Instrument sehen, um die zunehmende Säkularisierung zu stoppen.


Bei den US-Präsidentschaftswahlen spielen nach Ansicht des Amerika-Experten Jan Stievermann Religion und Glaube eine nicht zu unterschätzende Rolle. Viele konservative, überwiegend weisse Wähler seien überzeugt davon, dass die Vereinigten Staaten als christliche Nation gegründet wurden, sagte der Heidelberger Amerikanistikprofessor im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Daher empfänden sie die zunehmende Säkularisierung der US-amerikanischen Gesellschaft als «absolut identitätsbedrohend».

Dies könne ihrer Ansicht nach nur der Republikaner Donald Trump aufhalten, der bereits von 2016 bis 2020 US-Präsident war. Statistiken zufolge bezeichnen sich etwa 14 Prozent der US-Bevölkerung als weisse evangelikale Protestanten. Von ihnen wählten traditionell mehr als 80 Prozent republikanisch, sagte Stievermann, der an der Universität Heidelberg zur Geschichte des Christentums in den USA lehrt.

Traditionell konservative Kirchen verlieren zunehmend an Einfluss

Ein Teil der Radikalisierung innerhalb der republikanischen Partei sei auch eine religiöse Radikalisierung. Gemässigte, religiös-liberale Stimmen seien in der Partei verschwunden. Selbst traditionell konservative Kirchen wie die Südlichen Baptisten verlören zunehmend an Einfluss. Dem USA-Experten zufolge sind es vor allem charismatische, neu-pfingstlerische Kirchen, die das 200 Jahre alte, amerikanische Modell der Trennung von Staat und Kirche grundlegend infrage stellten.

Diese «christlichen Nationalisten» wünschten sich einen starken Mann, der den Kampf gegen diejenigen führe, die Amerika ihrer Ansicht nach zu einer gottlosen, säkularen Gesellschaft machen wollten. Dabei spiele es keine Rolle, ob Trump ein «guter Christ» sei, erläuterte Stievermann. Er sei für sie ein «göttliches Instrument», das ihren Interessen diene.

Die Zehn Gebote sollen wieder ins Klassenzimmer

Bereits in seiner ersten Amtszeit habe Trump «geliefert». Indem er drei konservative Richter an den Obersten Gerichtshof der USA, den Supreme Court, berufen habe, sei die Rücknahme der umstrittenen Abtreibungsregelung «Roe vs. Wade» erreicht worden, erläuterte der Experte. Jetzt soll es mithilfe des 78-jährigen Trumps gelingen, dass die christliche Religion im öffentlichen Raum und Bildungsinstitutionen wieder eine grössere Rolle spiele. Dabei gehe es etwa darum, die Zehn Gebote in Gerichtssälen und Klassenzimmer aufzuhängen.

Die Bestrebungen richteten sich gegen eine «moderne liberale, pluralistische Demokratie», wie sie auch von der demokratischen Kandidatin, Vizepräsidentin Kamala Harris, vertreten werde. Die neo-charismatischen Bewegungen sähen sich in einem «geistlichen Krieg» gegen einen politischen Gegner, der das säkulare Amerika vorantreiben wolle. Sie verunglimpften die Baptistin Harris, die ihr multireligiöses Aufwachsen betone und mit einem Juden verheiratet ist, als eine von dämonischen Kräften besessene Person.

 

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