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Exerzitienkurse bei den Reformierten

«Es war für mich sehr berührend»

von Carmen Schirm-Gasser
min
21.02.2025
Exerzitienkurse kommen an – auch bei den Reformierten. Verena Hubmann, Pfarrerin in St. Johann-Münster, erzählt von ihren Erfahrungen als Teilnehmerin und Leiterin.

Sie gehören nicht zur DNA der reformierten Tradition: Exerzitien. Gemäss Duden sind Exerzitien (von lateinisch exercere: «üben») geistige Übungen zur inneren Einkehr, die ihren Ursprung durch den Jesuitenorden im katholischen Christentum haben. Allerdings haben sich im 20. Jahrhundert auch in den reformierten Traditionen neue Formen der Spiritualität durchgesetzt – oft mit einem stärkeren Fokus auf Bibelmeditation und persönliche Spiritualität.

Sechs Abende, sechs Themen

Roland Diethelm, reformierter Pfarrer seit 2023 in St. Johann-Münster, hat viel Erfahrung mit Exerzitien gesammelt. Er hat eine Ausbildung dazu absolviert und gibt sein Wissen neuerdings in Kursen in Schaffhausen weiter.

Anders bei Verena Hubmann. Sie ist vor eineinhalb Jahren als Pfarrerin aus dem Appenzell nach St. Johann-Münster gekommen und kam «wie die Jungfrau zum Kinde», als sie von ihrem Kollegen angefragt wurde, gemeinsam mit ihm ein Exerzitienseminar zu leiten. Für einmal war sie Lernende und Ansprechperson zugleich, hatte nicht «wahnsinnig viel Vorsprung zu den Menschen, die teilnahmen», es war quasi ein Learning by Doing.

Fünf Wochen vor Weihnachten traf sich die Exerzitiengruppe zum ersten Mal. Zwölf Menschen waren gekommen, unterschiedlichsten Alters, um sich einmal die Woche gemeinsam für drei Stunden auf den Weg zu machen, begleitet von zwei Leiterinnen und einem Leiter. Verbunden allesamt in der Sehnsucht, die Vorweihnachtszeit bewusster und mit weniger Stress zu erleben. Zum Meditieren sass man auf einem Stuhl, auf einer Matte am Boden, einem Bänkli oder einem Sitzkissen.

Der Abend begann mit einer Vorstellungsrunde. Und siehe da: Obwohl man sich nicht im Detail austauschte, wer von woher kommt, wer man ist, was man beruflich macht, entstand eine Nähe zu den anderen Teilnehmenden. «Man wächst zusammen, bekommt die Menschen sehr gerne. Man wird offener, man hört zu, was die Menschen sagen, ordnet nicht sofort ein. Das ist sehr christlich, da es nicht mit Wertungen behaftet ist.»

Jeder der sechs Abende war einem Thema gewidmet. Bei den Exerzitien meditiert man einen Text, ein Wort aus der Bibel oder auch ein Bild. «Aufbrechen» war am ersten Abend das Thema, sich auf den Weg machen. Ein Text, ein Wort oder auch ein Bild wurde gezeigt. Diese sprechen einen an oder auch nicht. Ziel war es, nur zu beobachten. Was macht dieser Text mit einem. Man ist versucht, automatisch einen Text zu verstehen. Doch für einmal hiess es, sich zurückzulehnen und einfach nur zu beobachten, was der Text mit einem machte.

Einzelgespräche im Wald

Beim nächsten Treffen war «Widerstand» Thema des Abends. Man erzählte sich von Widerständen und Hindernissen, die einem die Woche über begegneten. Ziel war es, diese Widerstände nicht abzulehnen, vielmehr durch sie hindurchzugehen. Das ist auch der Weg über Karfreitag zu Ostern. Man stirbt nicht physisch, dafür sterben vielleicht Gewohnheiten oder Einschränkungen, mit denen man sich selbst begrenzt. Man lässt etwas sterben und schafft Raum für etwas Neues, eine neue Lebendigkeit und Leichtigkeit.

Im Laufe des Seminars bieten die Leiterinnen und Leiter Einzelgespräche an. Alle nahmen dieses Angebot an. Verena Hubmann ging für ein Gespräch mit einer Teilnehmerin zwei Stunden im Waldfriedhof spazieren. Das Fazit von Verena Hubmann: «Sich miteinander auf den Weg zu machen, war ein bedeutsamer Teil des Ganzen. Man ist spirituell zwar allein unterwegs, setzt sich mit sich selbst auseinander. Gleichzeitig ist dieses Wissen da, dass man gemeinsam unterwegs ist.» Der Flyer für den nächsten Kurs zu Ostern ist bereits gemacht.

 

Exerzitien zur Passionszeit: Mittwochabend, 19.30–21.30 Uhr, 5., 12., 19. und 26. März, Hofmeisterhaus. Mit Roland Diethelm und Verena Hubmann. Anmeldungen: verena.hubmann@ref-sh.ch; roland.diethelm@ref-sh.ch

 

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