Fasten: der Weg zum unbelasteten Leben
Das Fasten in den Wochen vor Ostern ist populär. Immer mehr Kirchgemeinden veranstalten Fastenwochen, in denen man auf Mahlzeiten verzichtet, in sich geht und über das Wesentliche im Leben und den Überfluss nachdenkt. So etwa in Dulliken und Welschenrohr.
Die Theologin Dorothea Loosli koordiniert die Fastengruppen der Heks-Sammelkampagne. Sie führt das wachsende Interesse darauf zurück, dass sich viele wie in einem Hamsterrad vorkommen und ständig Leistung erbringen müssen. Die Suche nach etwas, was entschleunigt, bringe viele auf das Fasten. Andere wiederum würden fasten, weil sie zu viel Gewicht hätten. «So lässt sich Gewicht abwerfen – körperlich und geistig. Während des Fastens gelingt es oft besser, Dinge loszulassen und abzuschliessen.»
«Manche fasten und saufen sich dennoch voll»
Fasten ist kein neues Phänomen. Die meisten Religionen kennen Fasten als spirituellen Weg, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Gott näher zu kommen. Den Buddhisten hilft es beim Meditieren, im Islam bildet das Fasten während des Ramadans eine der fünf Säulen der Religion.
Bei den Christen dauerte die Fastenzeit vierzig Tage vor Ostern oder Weihnachten. Im Mittelalter wurden die Fastenregeln ständig ausgeweitet. Und die Mönche brauten starkes Bier für die leeren Mägen. «Ich will jetzt davon schweigen, dass manche so fasten, dass sie sich dennoch vollsaufen», wetterte der Reformator Martin Luther in seinem «Sermon von den guten Werken».
Die Zeiten, in denen in den Kirchen dogmatisch um das Fasten gerungen wurde, sind längst vorbei. Manche reduzieren vor Ostern den Konsum von Fleisch, Fernsehen oder News. Heute verbinden die Hilfswerke mit der Fastenzeit sozialpolitische Themen und die Solidarität mit den Ländern der Dritten Welt.
Hinzu kommt der gesundheitliche Aspekt, wenn man den Gürtel enger schnallt. Für den Heilpraktiker Martin Wohlbach, der die Fastenwoche in Dulliken begleitet, steigert Fasten das Wohlbefinden und tut Körper und Geist tut. «Fasten schafft den Freiraum für neue Gedanken, Empfindungen, Gefühle und Zeit, sodass man schädliche Gewohnheiten aufgeben kann. Manche wagen in Sachen Ernährung einen Neuanfang und essen gesundheitsbewusster.»
Ein Stück Freiheit von der Gewohnheit
Für Pfarrer Bur khard Müller-Ludwig ist die Fastenwoche, die er in Welschenrohr mit anderen anbietet, Neuland. Es ist zum ersten Mal, dass er so lange fastet. Er hat schon viel von anderen über die Erfahrung mit dem Fasten gehört. Müller-Ludwig verspricht sich davon ein Stück Freiheit von der «Gewohnheit, gut und gerne zu essen». Schon in der Familie hiess es: «Du bist so gross und verträgst noch einen Teller!» Oft sei man im Leben gefangen von äusseren Abhängigkeiten, die einem nicht guttun.
In der ökumenischen Fastenwoche in Aedermannsdorf wechseln sich morgendliche Gebetszeiten und Treffen am Mittag und am Abend ab. Das lässt Zeit und Raum, um über das Leben nachzudenken und sich auszutauschen. «Der Versuch, sich von äusseren Zwängen zu befreien, führt zur inneren Freiheit, zum inneren Frieden. Fasten in diesem Sinne bringt mich mir selber und ich hoffe, auch Gott, näher», so Müller-Ludwig.
Tilmann Zuber
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