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«Fehlt dir eigentlich Chanukka?»

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22.11.2016
Jüdisch-christliche Weihnachten: Deborah Sommerhalder-Herz ist selbstständige Medizintechnikerin und jüdisch. Der Katholik Reto Sommerhalder ist Chemiker. Beide leben in Küttingen (AG). Seit September 2015 sind sie verheiratet, seit acht Jahren sind sie ein Paar und erleben, wie Religion durch den Magen geht. Vor allem an Weihnachten.

Reto: Erinnerst du dich noch an dein erstes Weihnachten mit meiner Familie vor acht Jahren?

Deborah: Als ich versehentlich bei der Mitternachtsmesse den Leib Christi gegessen habe? Ich wollte mich anpassen und stellte mich mit allen in die Reihe, ohne zu wissen, was passieren wird. Du hast mir erst danach erklärt, was ich da gegessen habe.

Reto: Ich wollte dich machen lassen. Es war das erste Mal, dass ich als Erwachsener zur Messe ging. Als Kind war ich immer da. Damals ging ich nur, weil du das wolltest.

Deborah: Mir war es wichtig, als Partnerin eines Christen auch den religiösen Aspekt von Weihnachten zu verstehen.

Reto: Und wir nehmen im Gegenzug Rücksicht auf deine jüdischen Essensgesetze. Bevor ich mit dir zusammen war, gab es an Heiligabend nach Fleisch immer ein Dessert, das Milch beinhaltete. Du darfst die beiden Speisen ja nicht zusammen essen.

Deborah: Aber die Desserts sind auch so fein! Sorbet geht immer oder ich bereite die Eistorte für die Familie so zu, dass auch ich sie essen kann.

Reto: Findest du es eigentlich schade, dass wir zu Hause keinen Weihnachtsbaum haben?

Deborah: Manchmal. Ich mag Weihnachten sehr. Manchmal habe ich das Gefühl, ich nehme diesen Feiertag ernster als du.

Reto: Kann schon sein. Ich bin es mir vielleicht einfach gewohnter.

Deborah: Ich backe zum Beispiel immer Weihnachtsguetzli für deine Familie und deine Freunde. Das hast du nie getan.

Reto: Dafür degustiere ich fleissig! Jemand muss deine Backkünste schliesslich bewerten.

Deborah: Und welche Guetzli backe ich am besten?

Reto: Die Vanillegipfeli.

Deborah: Dafür bäckst du immer den Gugelhopf für den Weihnachtsmorgen. Darin bist du super geworden.

Reto: Es ist auch eine schöne Familientradition, die mir wichtig ist. Früher hat den immer mein Grossvater gebacken. Seit er vor zwei Jahren verstorben ist, liegt diese Verantwortung in meinen Händen. Es hat Symbolkraft, dass ich seine Backform dafür verwende. Fehlt dir eigentlich Chanukka? Das feiern wir gar nicht.

Deborah: Dafür feiern wir andere jüdische Feiertage. Es fehlt mir nicht sonderlich. Das Zusammensein steht bei beiden Feiertagen im Mittelpunkt und ich schätze es sehr, zu Weihnachten mit dir und deiner Familie am Tisch zu sitzen und Zeit zu verbringen. Es ist das einzige Mal im Jahr, wo wir so aktiv zusammensitzen und geniessen, ohne gestresst zu sein. Ich finde das wunderbar.

Joëlle Weil, 22.11.2016

 

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