Flüchtlinge unter uns: In zwei Kulturen zu Hause
Provisorische Flüchtlingslager an den Grenzen, hoffnungslos überfüllte Boote, die vor der Mittelmeerküste kentern – solche Bilder prägen die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion über die Migration. Dabei gehen die Beispiele erfolgreicher Integration von Asylsuchenden leicht vergessen. Einen Beitrag dazu leistet das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz Heks. Die Regionalstelle beider Basel betreut verschiedene Projekte, von der Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende über Familiengärten für Flüchtlinge bis zur interkulturellen Dolmetsch- und Vermittlungsarbeit.
Pionier-Projekte
Bereits 1987 arbeitete die Heks-Regionalstelle beider Basel mit interkulturellen Dolmetschenden, zehn Jahre später lancierte sie das Ausbildungsprogramm MEL für interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln. Die Ausbildung ist gefragt. Der diesjährige Kurs zählt 14 Frauen und vier Männer. Eine davon ist Muna Sharif. Vor acht Jahren floh die damals Zwanzigjährige vor dem Krieg in Somalia in die Schweiz. Hier absolvierte sie die Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit. Bald merkte sie, dass sie auch der Bildungs- und Sozialbereich interessierte, und machte eine Zweitausbildung als Migrationsfachfrau.
Daneben arbeitete Muna Sharif als interkulturelle Dolmetscherin beim Heks und beim Ausländerdienst Baselland. Sie dolmetschte unter anderem im Frauenspital bei Arztterminen. Zurzeit betreut sie unbegleitete minderjährige Asylsuchende im Erstaufnahmezentrum in Arlesheim und ist mittlerweile mit der Schweizer Kultur vertraut. «Mir ist es sehr wichtig, professionell zu sein», sagt Muna Sharif. Darum entschied sie sich, Anfang Jahr den Lehrgang zur interkulturellen Dolmetscherin zu belegen. Die Einsätze im Gesundheits-, Bildungs-, Sozial- und Asylbereich unterschieden sich sehr voneinander, erklärt sie. In der Ausbildung lerne sie, mit Migrantinnen und Migranten sowie Fachpersonen umzugehen.
Missverständnisse mit Folgen
Die Verständigung zwischen Gesprächspartnern aus anderen Sprach- und Kulturkreisen kann leicht zu Missverständnissen führen und schwerwiegende Folgen haben, zum Beispiel wenn ein Arzt für einen Patienten eine falsche Diagnose stellt, weil sie einander nicht verstanden haben. Interkulturelles Dolmetschen brauche viel Konzentration, sagt Muna Sharif. «Vieles kann man aus dem Somalischen nicht einfach eins zu eins ins Deutsche übersetzen. Es braucht eine Erklärung, damit es richtig verstanden wird.» Dazu müsse man die Situationen, die zu Missverständnissen führen können, erkennen und dabei immer neutral bleiben.
Voraussetzung für die anspruchsvolle Dolmetscharbeit sind gute Deutschkenntnisse. Wer am MEL-Programm teilnimmt oder als interkulturelle Dolmetschende arbeiten möchte, muss mindestens ein B2-Sprachzertifikat vorweisen. Interkulturelle Dolmetscher können die weiterführende Ausbildung zu interkulturellen Vermittlern absolvieren. Sie führen zum Beispiel Workshops durch für Landsleute zur Gesundheitsförderung und Elternbildung oder sie beraten Fachleute, um eine bestimmte Migrationsgruppe zu erreichen.
Muna Sharif gefällt diese Perspektive: «Ich möchte meine Arbeit vertiefen und mich weiterbilden.»
Karin Müller, August 2016
Flüchtlinge unter uns: In zwei Kulturen zu Hause