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Fokus auf dem Lokus

von Patti Basler
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03.02.2025
Satirikerin Patti Basler über Klause, Klosett und Knusperhäuschen und darüber, wie Smartphones das männliche Pinkelverhalten disziplinierten.

Der WC-Gang, hört man, bedeute oft die einzigen ruhigen Minuten für Mütter. Das stille Örtchen. Das laut wird, wenn Kinder wie Katzen an verschlossenen Türen scharren. Die innere Stimme redet auf das mütterliche Gewissen ein und übertrifft das Kindergeschrei. Offenbar ist der Mental Load, die Verantwortungslast, nicht so einfach abzuladen wie der Darminhalt. Daher erleichtern sich Familienfrauen immer öfter bei offener Türe.

Ich machte den WC-Besuch zu einer Art Beicht-Stuhl-Gang.

Doch ein Klosett ist eigentlich ein geschlossener Raum. Eine Klause. Väter scheinen da weniger Gewissensbisse zu haben. Wir kennen die Geschichte des zehnfachen Familienvaters, der Ruhe und inneren Frieden suchte. Er begnügte sich nicht mit dem Abtritt, sondern verliess Haus, Hof, Frau und Kinder, zog sich für den Rest des Lebens in eine Klause zurück und wurde später bekannt als heiliger Niklaus von der Flüe. Austreten reichte zwar nicht für die Heiligsprechung, er musste erst abtreten. Um heilig zu werden, muss man tot sein. Heutigen Familienvätern bleibt nur, sich auf dem Klo scheintot zu stellen. So können sie zumindest scheinheilig werden. Denn auch Männer pinkeln erfreulicherweise immer öfter im Sitzen. Nicht seit sie selber putzen, nein, sie sitzen, seit es Smartphones gibt. Der moderne Mensch verhält sich wie die alten Römer: Er vernetzt sich über den Latrinenweg.

Verliebte senden Botschaften mit rosa Klobrille. Spielernaturen müssen beim Müssen Online-Dämonen bezwingen wie einst Hänsel und Gretel die Hexe im Knusperhäuschen. Hater schreiben Fakenachrichten beim fäkalen Verrichten. Comments in die Kommentarspalte. Nach langen Sitzungen brennt der von Johnny Cash besungene «Ring of Fire» beim Hinterausgang. Darum aufgepasst: Hämisch reden führt zu Hämorrhoiden!

Hater schreiben Fakenachrichten beim fäkalen Verrichten. Doch aufgepasst: Hämisch reden führt zu Hämorrhoiden!

Wer Tratsch über Royals liebt, erfährt auf dem Thron das Neuste von Thronfolgern. Von den Königshäusern direkt aufs Häuschen. Spekulierende verrichten digital kleine Geschäfte beim Verrichten des grossen Geschäfts. Darum heisst es wohl: «Börsen-kotiert» beim Afterwork. Als Schreibende kann ich hier ungestört verdichten, strömen lassen, mal dichter, mal hohler fabulieren beim Defäkieren. Hier bin ich Mensch, hier kann ich’s sein, Dichterin und Denkerin, Richterin und Henkerin. Ohne Ablenkung. Fokus auf dem Lokus.

So beichtete ich meinen Lieben auch schon Fehltritte auf dem Abtritt. Ich machte den WC-Besuch zu einer Art Beicht-Stuhl-Gang. Eine doppelte Katharsis, zeitgleiches Abladen von körperlichem und seelischem Ballast. Hier darf man Rotz und Wasser und sich selbst gehen lassen. Alles rauslassen. Ablass erhoffen. Das Ego nimmt hier kein Blatt vor den Mund. Einzig im Ausgehen des KloPapiers droht ein Rollenkonflikt.

Mein Text ist nun abgeschlossen wie die Toilette kinderloser Menschen. Jetzt, da ich nach dem Austreten am stillen Ort wieder in die laute Welt eintrete, geht es mir wie Hänsel und Gretel nach ihrer Befreiung: Ich bin komplett aus dem Häuschen.

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