Freiwillige: «Zusammenarbeit heisst das Zauberwort»
Frau Schweizer, warum sind Freiwillige so wichtig für die Kirche?
Freiwillige bringen viel in die Kirche ein, das die Angestellten nicht allein abdecken können. Sie bilden eine Ressource an Begabungen, an Können, Wissen, Zeit, Begeisterung, Glaube und Liebe. Das gilt nicht nur für die Kirche, sondern für alle Bereiche der Freiwilligenarbeit. In der Kirche aber besonders, weil der Aspekt des Glaubens dazukommt: Wir Menschen sind mit den verschiedensten Fähigkeiten, Gaben und Talenten ausgestattet und bringen diesen Reichtum ein, um am Reich Gottes mitzuwirken.
Die Kirche muss sparen. Welche Auswirkungen hat das auf die Freiwilligenarbeit?
Die Frage beinhaltet viel Sprengpotenzial, gerade vor dem Hintergrund, dass es in Zukunft weniger Stellenprozente und Subventionen gibt. Die Kirchgemeinden müssen sich da fragen, ob sie für gewisse Aufgaben jemanden anstellen oder auf Freiwillige zurückgreifen wollen. Diese grundsätzliche Frage ist nicht leicht zu beantworten. Es gilt vieles zu beachten.
Zum Beispiel?
Bei einer Pfarrstelle wird das Pensum gekürzt und die Pfarrperson kann nicht mehr alle Aufgaben übernehmen. Soll nun ein Freiwilliger gratis diese Arbeit erledigen, die einmal bezahlt war? Darf man das? Oder ist das eine Zumutung oder Überforderung? Darauf gibt es nicht die eine, richtige Antwort.
Der Visitationsbericht empfiehlt den Kirchgemeinden, für «einen fairen Umgang mit Mitarbeitenden und Freiwilligen» zu sorgen.
Genau darum geht es. Wie können die Kirchgemeinden einen fairen und professionellen Umgang mit Freiwilligen und Mitarbeitenden pflegen? Ich sehe hier in der Visitationsempfehlung ein wichtiges Anliegen.
Setzt sich das Vernetzungstreffen mit dieser Frage auseinander?
Ja, wir beschäftigen uns mit den Empfehlungen des Visitationsberichts. Doch jede Kirchgemeinde gewichtet die Freiwilligenarbeit anders und nicht alle verfügen über die gleichen Möglichkeiten. In manchen Kirchgemeinden engagieren sich nur wenige Freiwillige, in anderen hingegen bis zu 300.
Wie können die Kirchgemeinden voneinander profitieren?
Indem sie sich mit den Erfahrungen der anderen auseinandersetzen, auch kritisch. Die Kirchgemeinden können voneinander lernen, Bewährtes weitergeben oder übernehmen. Das setzt voraus, dass man offen und bereit ist für den Austausch. Einige Kirchgemeinden haben Konzepte für die Freiwilligenarbeit erstellt. Davon können andere profitieren. Zusammenarbeit heisst das Zauberwort, gerade in Zeiten des Sparens.
Fragen Sie auch nach den Bedürfnissen der Freiwilligen?
Ja, die sind ganz verschieden. Manche möchten mit Leuten zusammenkommen und Kontakte knüpfen, andere wirken lieber im Hintergrund und sorgen beispielsweise für den Blumenschmuck.
Wie hat sich die Freiwilligenarbeit in den letzten Jahrzehnten verändert?
Im Gegensatz zu früher, als man zum Beispiel in einem Verein über Jahre hinweg ein Aktuariat übernahm, engagieren sich die meisten heute lieber zeitlich befristet in einem Projekt. Freiwillige für langfristige Aufgaben zu finden, ist schwierig. Doch mit Klagen vertreiben wir die Leute, die sich gerne engagieren würden. Es ist schön, dass es davon nach wie vor viele gibt. Diese wollen und sollten wir ernst nehmen und ermutigen.
Wie steht es mit der Anerkennung von Freiwilligenarbeit?
Freiwilligenarbeit ist in der Kirche kein neues Thema. Es hat sie immer gegeben, und das wird hoffentlich auch so bleiben. Man nimmt sie aber heute mehr zur Kenntnis. In der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft wird sie zunehmend wertgeschätzt. Dazu tragen Massnahmen wie das «Dossier Freiwillig Engagiert» bei, das Berufseinsteiger bei der Bewerbung vorlegen können. Es weist die Kompetenzen aus, die sie im Rahmen eines freiwilligen Engagements erworben haben. Auch die Kirche hat eine gesellschaftliche Verantwortung, die Ehrenamtlichen zu fördern und ihnen die Weiterbildung zu ermöglichen.
Interview: Karin Müller, August 2016
Weiterführende Informationen zur Freiwilligenarbeit:
Leitfaden zur Freiwilligenarbeit für reformierte Kirchgemeinden
Dossier Freiwillig Engagiert
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