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«Für AfD-Christen war die ,Ehe für alle’ ein Super-Gau»

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27.09.2017
Für den Publizisten Andreas Püttmann ist klar: Nur wenige fundamentalistische Christen stärken die AfD. Ansonsten gilt: Konfessionslose zieht es mehr zur AfD.

In der AfD gibt es die Gruppe «Christen für die AfD». Wird diese populistische Partei zum Sammelbecken rechtskonservativer Christen?
Eher nicht. Denn die Christen innerhalb der AfD sind eine ganz kleine Minderheit. Die «Christen in der AFD» zählen laut einer SWR-Recherche nicht mehr als 120 bis 130 Mitglieder, und das in einer Partei von 27'000 Mitgliedern.

Aber eine Million Wählerinnen und Wähler sind bei der Bundestagswahl von den C-Parteien – also CDU, CSU –  abgewandert. Finden sie dort keine rechte Heimat mehr?
Viele davon sind Protestwähler. Aber es sind auch rechtskonservative Christen darunter. Versetzen sie sich in deren Situation: Sie sind seit Jahrzehnten gesellschaftspolitisch von Niederlage zu Niederlage geeilt. Das begann schon mit der Aufgabe des Schuldprinzips im Ehescheidungsrecht 1976, ging weiter mit den verschiedenen Etappen der Liberalisierung der Abtreibung und führte dann, was für diese Gruppen wirklich der Super-Gau ist, zur «Ehe für alle». Durch die Vielzahl der Frustrationen sind die rechtskonservativen Christen immer mehr verhärtet. Katholischerseits kommt durchaus noch die Protestantisierung der CDU hinzu. Denn neun der zehn mächtigsten CDU-Spitzenpolitiker im Bund die Mitglieder des Bundeskabinetts, der Fraktionsvorsitzende und der Generalsekretär waren zuletzt evangelisch. Das liegt allerdings auch daran, dass sich katholische Politiker wie Christian Wulff, Karl-Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen selber aus dem Rennen genommen oder katapultiert haben.

Sind die Katholiken besonders stark anfällig, um AfD zu wählen?
Überhaupt nicht: Bei den Katholiken besteht quasi eine Gesetzmässigkeit: Je näher sie zur Kirche stehen, desto geringer der Zuspruch zur AfD. Nach einer Erhebung des Allensbach-Instituts vom Juni 2016 votierten acht Prozent der kirchennahen Katholiken für die AfD und zwölf Prozent der Kirchenfernen. Bei den Konfessionslosen lag der Anteil bei 18 Prozent.

Und bei den Protestanten?
Bei den Evangelischen ist es umgekehrt. Da sympathisierten laut Allensbach die Kirchennahen mehr mit der AfD als die Kirchenfernen. Das lässt sich erklären: Die Evangelikalen, die eher in Freikirchen organisiert sind, fokussieren sich eindimensional auf Moralfragen wie Homosexualität und Abtreibung. Obwohl sie nur etwa fünf Prozent aller Protestanten ausmachen, stellen sie etwa ein Viertel der Gottesdienstbesucher am Sonntag, was gleichzeitig der wichtigste Indikator für Kirchennähe ist.

Wie aber sollen die grossen Volkskirchen mit der AfD umgehen? Da gibt es ja durchaus scharfe Töne von Seiten des Kardinals Marx und des EKD-Vorsitzenden Bedford-Strohm.
Ich kann die beiden Kirchenführer gut verstehen. Gegenüber einer Bewegung, die vom Inhalt wie von ihrem Habitus her etwas Menschenfeindliches, Massloses hat und unseren demokratischen Rechtsstaat als Quasi-Diktatur verleumdet, sind solche expliziten Stellungnahmen der Kirchen vertretbar. Wenn wir in Deutschland siebzig Jahre lang sagen: «Wehret den Anfängen!», dann ist es jetzt auch richtig, dieses Motto anzuwenden.

Also dürfen die Kirchen der AfD das Gespräch verweigern?
Natürlich darf es keine Dialogverweigerung geben. Christen sollen gegenüber allen Menschen Zeugnis geben von der Hoffnung, die sie bewegt, und auch von ihren ethischen Überzeugungen. Aber die Kirchen müssen der AfD als Partei keine Podien bieten und ihnen neue Räume der Agitation eröffnen. Deshalb fand ich die Entscheidung des Katholikentags 2016, keine AfD-Politiker als Redner einzuladen, in Ordnung. Wir dürfen nicht dem naiven Glauben frönen, dass wir mit einigen guten Argumenten die Thesen einer populistischen Partei mal eben bei allen Zuhörern entzaubern können. Das hieße, die demagogische Kraft dieser Leute zu unterschätzen.

Wenn wir die Wahlergebnisse der verschiedenen Bundesländer anschauen, sticht der Ost-West-Gegensatz ins Auge. Spielt da ein religiöser Faktor hinein, also dass der Osten Deutschlands weit mehr entkirchlicht ist?
Ja, gewiß. Dort ist während fünfzig Jahren kommunistischer Herrschaft und vorangehender zwölfjähriger Naziherrschaft ein Sinnvakuum entstanden. Der Christenanteil sank unter 25 Prozent. Das bildet ein Einfallstor für Antiuniversalismus, Nationalismus, Empathielosigkeit und auch Hybris. Ich bin gegen die dominanten sozialökonomischen Erklärungen, die immer wieder herausstreichen, dass die Ostdeutschen irgendwie benachteiligt oder abgehängt seien. Dabei gehört der durchschnittliche AfD-Wähler der mittleren Bildungsschicht an und übertrifft sogar das jährliche Durchschnittseinkommen. Ich meine, dass die geistig-moralischen Verheerungen von zwei antichristlichen Diktaturen wesentlich die Grundlage dafür bilden, dass der AfD-Aufstieg im Osten rasanter als im Westen erfolgen konnte.

Delf Bucher, reformiert.info, 27. September 2017

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