Geschichten, die unter die Haut gehen
«Gefangene des Schicksals» ist ein bewegendes Porträt von Geflüchteten aus Afghanistan und dem Iran, die im Zuge der Flüchtlingswelle von 2015 in die Schweiz kamen und versuchen, hier Fuss zu fassen. Filmemacher Mehdi Sahebi begleitete sie über mehrere Jahre in ihrem Alltag – sei es beim Essen, beim Sport oder beim Gang zu einem Amt.
Da ist Mahmad, ein Deserteur, Sanam, die Mutter, die auf der Flucht ihren kleinen Sohn verlor, weil dieser an der türkischen Grenze verhaftet wurde. Und Ezat, der sich um seine zurückgelassene Mutter sorgt. Dazu kommt Teenager Omid, der in der Fremde mit Heimweh kämpft, obwohl er in einem Pfadilager zum ersten Mal von einem Mädchen, das nicht zur Familie gehört, die Schultern massiert bekam. «Etwas, das im Iran unmöglich wäre», sagt er grinsend. Doch dann verzieht sich sein Gesicht, er weine sich jeden Abend in den Schlaf, weil er seine Eltern vermisse, sagt der 16-Jährige.
Vereint sind die Protagonisten im Empfinden von Machtlosigkeit gegenüber ihrem Schicksal. Sie müssen die Traumata der Vergangenheit verarbeiten und sich zugleich in einer ungewissen Zukunft in einem fremden Land zurechtzufinden. Angst und Hoffnung wechseln sich in diesem Prozess ständig ab. Werden sie, die Gefangenen des Schicksals, ihren Platz in dieser Gesellschaft finden?
Mitten ins Herz
Der Dokumentarfilm berührt durch seine Schlichtheit und Authentizität. Die Unmittelbarkeit wird durch die persische Sprache unterstrichen, die eine Distanz und Nähe schafft. Manchmal ist es schier unerträglich: Da ist zum Beispiel der Geburtstag von Sanams Tochter. Die Mutter telefoniert mit ihrem Sohn, der mittlerweile bei den Grosseltern in der Türkei wohnt. Sein Gesichtsausdruck via Facetime trifft einen mitten ins Herz. Verlassen und enttäuscht nimmt er wenigstens so an der Party seiner Schwester teil.
Neben den traurigen gibt es aber auch amüsante Szenen, etwa als die jungen Asylsuchenden über die neue, durchaus ausgefallene Frisur einer ihren Kumpeln lachen. Solche Momente offenbaren, wie stark der Zusammenhalt in der Fremde ist. Dass selbst Armut und die Abhängigkeit von den bürokratischen Entscheidungen nichts daran ändern kann. Die begleiteten Menschen sind von tiefen Verletzungen gezeichnet, dennoch verkörpert ihre Geschichte die immense Kraft von Freundschaft, Liebe und Solidarität.
Happy-End auf dem Spielplatz
Regisseur Sahebi floh einst selbst aus dem Iran. Er weiss, von was er spricht. Nicht alle Schicksale, so viel sei vorweggenommen, nehmen ein gutes Ende, das sich primär über einen positiven Asylentscheid definiert. Der bei der Flucht verhaftete Junge aber findet schliesslich den Weg zu seiner Familie. Unbeschwert ist er am Ende des Films mit seiner Schwester auf einem Spielplatz, wie es für alle Kinder eigentlich ganz normal sein sollte.
Nach dem Erfolg von «Zeit des Abschieds» kehrt Sahebi mit «Gefangene des Schicksals» meisterhaft auf die Leinwand zurück. Der Film wird von der Zürcher Landeskirche unterstützt und ist ab dem 14. März im Kino. Ein Zeugnis von menschlicher Resilienz und dem Willen, die Hoffnung trotz allem nicht zu verlieren.
Mehdi Sahebi: Gefangene des Schicksals. Schweiz 2023. Nominiert für den Schweizer Filmpreis 2024. Der Dokumentarfilm läuft ab sofort in den Schweizer Kinos.
Geschichten, die unter die Haut gehen