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Glocken drehen die Zeit zurück

von Cornelia Brunner-Scherrer
min
22.11.2023
Die «Glockengeschichten» haben bei einigen Leserinnen und Lesern Erinnerungen geweckt. So erinnert sich Walter Keller aus Kreuzlingen, wie die Kirchenglocken einst den Kriegslärm übertönten.

Durch die offenen Fenster sei fürchterlicher Lärm von Motoren und Explosionen zu hören gewesen. Er habe vor Angst kaum mehr atmen können, erzählt der pensionierte Lehrer Walter Keller aus Kreuzlingen. «Und da getraut sich die Kirchenglocke um zwei Uhr zu schlagen. Auf einen Schlag war meine Angst weg.» Wie Engelsstimmen seien ihm die Glocken erschienen, erinnert sich der 88-Jährige an einen Tag Ende April 1944. Die Lehrersfamilie wohnte damals im Schulhaus in Kesswil. Sein Vater war zu dieser Zeit im Aktivdienst. Während über der Stadt Friedrichshafen die Bomben abgeworfen wurden, suchte seine Mutter mit den beiden Kindern Schutz im Schulhauskeller.

Glocken sind ein Geheimnis
Dieses Schlüsselerlebnis hat Keller die persönliche Beziehung zu Glocken aufgetan: Er hat viel nachgedacht über sie während seines langen Lebens. «Niemand weiss, was die Glocke predigt, die gerade geläutet wird.» Doch jede habe ihren eigenen Spruch, den sie verkünde, wenn sie geläutet wird. Deshalb wünsche er sich, dass die Glockensprüche gross an die Kircheninnenwände geschrieben würden. Für Keller, den ehemaligen Chorleiter und Organisten, sind und bleiben die Glocken die Sprache der Engel, die Beziehung zum Himmel: «Ein Geheimnis, wie auch Gott ein Geheimnis ist.»

Begleiten

Glocken seien seit seiner Jugend Überbringer einer Botschaft, schreibt der Leser Hanspeter Trionfini. Um elf Uhr verkündeten sie dem Schulbuben, dass der Vormittag bald überstanden sei. Das Betzeitläuten mahnte ihn daran, dass er nach Hause musste. «Glocken begleiten durch das ganze Leben: Je nach Anlass nehme ich ihren Klang anders wahr.» (cbs)

Lauschen

Der Arboner Hans Joerg Graf freut sich auf das 100-Jahr-Jubliläum der Berglikirche in Arbon im Jahr 2024. Er schreibt, es sei immer wieder imposant und zugleich bewegend, dem siebenstimmigen Geläut zu lauschen und über die Geschichte der Glocken nachzudenken. «Und ich bin sogar ein bisschen stolz, beim Aufzug der letzten und kleinsten Glocke im Jahre 1953 als Schulbub dabei gewesen zu sein und selbst Hand angelegt zu haben.» (cbs)


Den Bomben standgehalten
Auch der 94-jährige Märwiler Jakob Ott erinnert sich an die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Er wuchs in Schaffhausen auf: «Am 1. April 1944 wurde ein Drittel der Altstadt irrtümlich durch einen amerikanischen Bomberverband mit etwa 400 Sprengund Brandbomben verwüstet.» Dabei sei auch die Steigkirche zerstört worden – diejenige Kirche, in der Ott, der damals 15-jährige Zeitzeuge, hätte konfirmiert werden sollen. Doch die Glocken blieben erhalten und wurden aufgefrischt. Seit 75 Jahren läuten diese Schaffhauser Glocken nun in der Thur- Der Jahresschwerpunkt «Glockengeschichten » wird mit dieser Ausgabe abgeschlossen. Bei einigen Leserinnen und Lesern haben die Geschichten Erinnerungen geweckt. Glocken drehen die Zeit zurück Bild: cbs Walter Keller vor der Evangelischen Kirche Kreuzlingen: Für ihn sind Kirchtürme Antennen zum Himmel und die Glocken die Sprache der Engel. gauer Kirche Lustdorf. «Auch der Glockenaufzug 1948 bei der neuen Steigkirche ist mir in bester Erinnerung geblieben », betont Ott.

«Wunderbarer Regenbogen»
Es war am 20. März 2003, am Tag des Angriffs der USA im Irak, erinnert sich Walter Rutishauser aus Zuben. Zu dieser Zeit weilte er mit einer Delegation der Evangelischen Mission Südwestdeutschland in Jordanien in der Theodor Schneller Schule TSS. Er schreibt: «Unser leider schon lange verstorbener Glockenspezialist Geri Hofstetter und ich läuteten in der TSS als hörbares Zeichen gegen den Krieg die renovierten Glocken der TSS, und dies länger als eine Stunde ununterbrochen. Und in dieser Zeit zeigte sich – oh Wunder – über der Gegend in Richtung Irak ein wunderbarer Regenbogen.»

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