Gott ist keine Spiesserin
Im Kirchenjahr 2024 findet in den Stadtzürcher Kirchen die Themenreihe «Gott ist keine Spiesserin – feministisch unterwegs in Zürich» statt. An der Eröffnungsveranstaltung am 4. Dezember 2023 in der Kirche St. Peter hat die Initiantin Jacqueline Sonego Mettner sieben Thesen zur Glaubwürdigkeit der feministischen Theologie vorgestellt:
Feministische Theologie ist...
1. erfahrungsbezogene Theologie. Sie orientiert sich am Leben. In ihr spiegeln sich die unterschiedlichen Erfahrungen aus dem Hier und Heute. Sie fragt nach der Not, und Frauen sind davon auch heute noch übermässig betroffen. Dabei orientiert sie sich am Potenzial zur Befreiung, insbesondere an den biblischen Befreiungsgeschichten.
2. gesellschaftspolitisch engagierte Theologie. Freiheit, Menschenrechte und zukunftsfähiges Wirtschaften, bei dem niemand auf der Strecke bleibt, auch nicht die Natur, sind zentral in der feministischen Theologie. Ein grosses ethisches Engagement gehört dazu. In der Auslegung der Bibel orientiert sie sich an dem, was dem Leben und einer bewahrten Schöpfung dient. Sie erachtet es deshalb als legitim, die Bibel mit ausserbiblischen Kriterien zu lesen.
3. eine suchende Theologie. Sie ist vielfältig, neu lernend, interkonfessionell, interreligiös, interdisziplinär. Immer schon war sie ökumenisch, ist aber auch über die Religionsgrenzen hinweg und international im Gespräch.
4. poetische Theologie. Sie ist sprachlich und spirituell kreativ. Die Zeit der Dogmen und Glaubenssätze ist vorbei. In der Rede über Gott steht sie häufig in der Tradition der Mystik, wo das Nichtwissen, das Staunen, die Leere sehr zentral sind. Wo dann vielleicht von Gott geredet wird als Stimme, als Licht, als Quelle – nicht unbedingt in personalen Bildern, aber doch mit einem Bindungscharakter. Eine einseitige Verwendung von männlichen Gottesbildern lehnt die feministische Theologie ab. Die Poesie erweist sich oft als angemessener als die traditionelle theologische Sprache.
5. wissenschaftliche Theologie. Sie kämpft immer noch sehr um ihren Platz an den Universitäten. Bis heute ist sie geprägt von einer sozialgeschichtlichen oder literarischen Bibelauslegung. Auch beleuchtet sie vergessene Texte und Bibelfiguren neu, etwa die Figur der Hagar. Intensiv gepflegt wird der Dialog mit jüdischen Exegetinnen.
6. kritische Theologie. Sie deckt menschenfeindliche Traditionen in der Auslegungsgeschichte auf, die bis heute wirkmächtig sind. Etwa wenn in der Rede über die Sünde die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Frau, ihren Körper und ihre Sexualität gerichtet wurde. Sie stellt die grossen Fragen neu: die Frage nach Schuld und Verantwortung; die Frage, was mit der Menschwerdung gemeint sei und wie diese mit der menschlichen Fragilität und Endlichkeit zusammengehe; die Frage nach dem Umgang mit Krankheit, Scham und Trauer, aber auch mit Freude, Liebe und Freundschaft. Die feministische Theologie ist selbst- und ideologie-kritisch unterwegs; etwa, wenn sie anti-judaistische Tendenzen in den eigenen Reihen beleuchtet.
7. hoffende Theologie. Sie zweifelt, sucht und bemüht sich um Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Sie tut dies mit grossem Vertrauen auf einen Gott, beziehungsweise einen G*tt, der diese Welt nicht im Stich lässt, der uns als Mitstreiterinnen braucht und in eine Ecclesia herausruft, die nicht unbedingt identisch ist mit der vorhandenen Kirche.
Das Programm
Jacqueline Sonego Mettner (62) ist Pfarrerin im Kirchenkreis 2, Mitglieder der Synode und war während 18 Jahren Redaktorin bei der feministisch-theologischen Zeitschrift Fama. Zusammen mit Pfarrerinnen der Kirchgemeinde Zürich organisiert sie die Themenreihe «Gott ist keine Spiesserin - feministisch unterwegs in Zürich». Diese will zeigen, wie durch die feministische Theologie neue Glaubwürdigkeit für eine Kirche in der heutigen Zeit entsteht. Bis im November 2024 finden an elf Orten in Zürich insgesamt elf verschiedenen Veranstaltungen statt.
Gott ist keine Spiesserin