Gottesdienst im Extra-Pulli
Kurt Zaugg-Ott, Geschäftsführer der oeku, rechnet vor: Zwischen 20’000 bis 80’000 Franken bezahlt eine grössere Kirchgemeinde jedes Jahr an Heizkosten. Da die Energiekosten im Durchschnitt etwa rund 30 Prozent steigen werden, könnten die Heizkosten im kommenden Winter über 100’000 Franken steigen. «Ein Mehr-Betrag, der für Kirchgemeinden ins Geld geht», sagt Kurt Zaugg-Ott. «Deshalb sind jetzt die meisten gezwungen, sich mit diesem Problem zu befassen, egal, ob die Energiekrise nun tatsächlich eintritt oder nicht.» Aktuell hat die oeku viele Anfragen von Kirchgemeinden. «oeku Kirchen für die Umwelt» ist ein ökumenischer Verein, 1986 gegründet, der Kirchen in Energie- und Umweltfragen berät. Gemäss oeku nutzt rund die Hälfte der Kirchen in der Schweiz Elektroheizungen, sprich Bankheizungen (Röhren unter den Bänken). Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war dies die einfachste Art zu heizen. Tatsächlich ist diese Art von Heizung weniger umweltbelastend als beispielsweise Gasheizungen. Doch mit dem Nachteil, dass sie ineffizient ist und viel Energie benötigt.
Wolldecken und Heizkissen
«Kurzfristig können Heizungen nicht ausgetauscht werden» sagt Kurt Zaugg-Ott. «Energie kann deshalb nur gespart werden, indem die Temperatur gesenkt wird oder Veranstaltungen in Räumlichkeiten ausgelagert werden, die einfacher und kostengünstiger geheizt werden können.» Auch die Aussenbeleuchtung könne je nach System ins Gewicht fallen. Zudem gebe es Kirchgemeinden, die bereits heute Wolldecken im Winter abgeben würden. Auch Heizkissen wären eine Alternative. Sie brauchten weniger Energie, würden warmhalten und viel effizienter sein, als den ganzen Raum zu heizen.
Landeskirchliche Taskforce
Das Thema Energie ist in aller Munde. Einzelne Landeskirchen arbeiten daran, Empfehlungen für die Kirchgemeinden auszusprechen. Eine Taskforce der Evangelischen Landeskirche EKS beschäftigt sich ebenfalls mit der Energie-Thematik. «Die EKS macht aktuell Grundlagenarbeit, Austausch und Koordination», sagt Dominic Wägli, Leiter Kommunikation EKS. Die Vertretungen der Mitgliedkirchen würden sich an einem gegenseitigen, abgesprochenen und koordinierten Vorgehen interessiert zeigen. Eine offizielle Empfehlung seitens der Evangelischen Landeskirche gibt es aber noch nicht.
In der Erhebungsphase
Eine Umfrage des Kirchenboten bei den Landeskirchen zeigt ein uneinheitliches Bild: Viele stehen noch in der Erhebungsphase, andere wollen bald reagieren. In Schaffhausen ist der Kirchenrat daran, zusammen mit dem regionalen Energieversorgungsunternehmen «SH Power», nach kurz-, mittel-, und langfristigen Lösungen zu suchen. Eine zentrale Frage sei, so heisst es, wie Energie langfristig durch den Einsatz von Photovoltaikanlagen auf bestehenden Flächen gewonnen werden kann. Mittelfristig sei auch das Senken der Heiztemperaturen Thema.
Fernwärme in Basel
Ein anderes Bild zeigt sich in Basel. Dort sind die meisten Gebäude der Evangelisch-Reformierten Kirche ans Fernwärmenetz angeschlossen. «Sie wären daher von einer Strommangellage nicht direkt betroffen», sagt Matthias Zehnder, Informationsbeauftragter der Kirche Basel-Stadt. Bei einer Mangellage würde man die Heizung reduzieren. «Besucher und Besucherinnen müssten dann den Mantel anbehalten». Kirchengebäude liessen sich aufgrund des Denkmalschutzes baulich kaum anpassen und seien ohnehin schwierig zu heizen, weil sie so hoch sind.
Olten senkt Raumtemperatur
Auch im Kanton Solothurn will man sich wappnen, denn «im Winter kann es wegen den hohen Strom- und Heizkosten zu unerwarteten finanziellen Engpässen kommen», sagt Haiko Behrens, Synodalrat und Pfarrer von Dornach. Der Kirchgemeinderat in Olten hat deshalb beschlossen, die Raumtemperatur in den Kirchenräumen auf 17 bis 18 Grad zu senken. Die Friedenskirche, die noch aus den 1920er-Jahren stammt und wegen ihrer Grösse und der fehlenden Isolation schwer zu beheizen ist, bleibt zwischen 1. November bis 30. April geschlossen.
16 Grad im Berner Münster
Auch in anderen Kirchgemeinden hat man bereits reagiert. Die Stadtkirche Glarus, die reformierte Hauptkirche der Ortschaft Glarus, wird noch bis Weihnachten geheizt, danach nicht mehr. Die französische Kirche in Murten, im Kanton Freiburg, wird ausschliesslich im Sommer für Hochzeiten benutzt. Im Winter bleibt sie geschlossen, da die Heizung die Bausubstanz, Orgel und Gemälde angreifen würde. Die christkatholische Kirchgemeinde in Bern heizt schon seit mehreren Jahren die Kirchen im Winter nicht mehr. Aus Kostenspargründen, wie zu hören ist. Stattdessen wird der Gottesdienst in der Krypta gefeiert. Im Berner Münster werden bereits heute Konzerte bei 18 Grad durchgeführt, Gottesdienste bei maximal 16 Grad.
Pionierin Basler Titus-Kirche
Übrigens: Die erste Solaranlage auf einer Schweizer Kirche entstand 1990 auf dem Dach der Titus-Kirche in Basel. Die Anlage wurde 2003 erweitert und produziert nun 10’000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Mit den jährlichen Einnahmen aus dem Verkauf des Ökostroms werden in Nigeria solarbetriebene Kühlschränke zur Aufbewahrung von Medikamenten finanziert.
Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online
Gottesdienst im Extra-Pulli