Halbzeit: Auf den Spuren der Mittelalter-Pilger
Die Veranstaltung im Haus der Kirchen in Bern ist gut besucht, als Seyran Ateş auf ihrer Pilgerreise von Basel nach Genf hier Station macht. Die Berner Regierungsrätin Evi Allemann eröffnet den Abend mit einem Grusswort. Ateş berichtet an diesem Abend von ihrer Mission, die liberalen Muslime in Deutschland zu stärken und dem fundamentalistischen Islam entgegenzutreten. Ein Kampf, für den sie seit langem unter Polizeischutz steht. Das anschliessende Gespräch zwischen Ateş, Moderatorin Susanne Leuenberger und dem Publikum bewegt.
In den 1980er Jahren begann Seyran Ateş als Anwältin für muslimische Frauen. Heute ist sie Imamin einer von ihr mitbegründeten Berliner Moschee, die Männer und Frauen gemeinsam besuchen können. Frauen ohne Kopftuch, das ist für Ateş selbstverständlich. «Wie deutlich muss die Mehrheit der muslimischen Frauen noch sagen, dass sie dieses Kopftuch nicht tragen wollen?», sagte sie einmal.
Auf der Hauptroute des Jakobswegs
Am nächsten Tag geht es weiter. Die Pilgeretappe von Bern nach Rüeggisberg steht an, mit dem Besuch der Klosterruine des Cluniazenser-Priorats. Ab hier geht es auf der Hauptroute des Jakobswegs weiter, auf der im Mittelalter Pilger von Deutschland nach Spanien zogen, erklärt Johannes Weimann, Pfarrer von Herzogenbuchsee und ausgebildeter Pilgerbegleiter.
Weimann brachte Wäscheklammern mit, als die Pilgergruppe in Basel startete. Die Klammern sind nicht nur zum Aufhängen der Kleider gedacht. Man soll sie anbringen, wenn man nicht angesprochen werden will. Beim Pilgern geht es auch um Achtsamkeit, darum, den Weg und die Natur wahrzunehmen und auf die eigenen Gedanken zu hören. Seyran Ateş hat die Klammern noch nie gebraucht, sagt Weimann schmunzelnd. Sie sei eine erfahrene Pilgerin und könne gehen, reden und trotzdem achtsam sein.
Stärkung der liberalen Muslime
Seyran Ateş nutzt oft die Gelegenheit, mit den Mitpilgern über ihre Mission zu sprechen, die Stärkung der liberalen Muslime. Für sie ist klar: Um den politischen Islam und die Radikalisierung in Europa einzudämmen, muss zum Beispiel die Ausbildung der Imame staatlich geregelt und kontrolliert werden.
Auf die Frage, ob sie den Shitstorm um die Schweizer Politikerin Sanija Ameti, die auf ein Bild von Maria und Jesus geschossen hatte, mitbekommen habe, nickt sie. Sie finde die Geste hart. Und knüpft gleich mit einer Frage an, um ihre Mission zu verdeutlichen: «Wäre Frau Ameti derselbe Fehler mit einem Bild aus dem Koran passiert?» Wohl kaum, beim Koran hätte sie gewusst, wie die Reaktion ausfällt, bekommt sie zur Antwort. «Genau», sagt Seyran Ateş, setzt ihren Pilgerhut auf und nimmt die nächste Etappe unter die Füsse.
Petition für die Uno in Genf
Nach Rüeggisberg geht es weiter nach Schwarzenburg, Fribourg, Ecuvillens und Romont. Seit Basel hatten sich täglich zwischen fünf und zwanzig Pilgerinnen und Pilger der Gruppe angeschlossen. Manche nur für eine Etappe, andere für mehrere Tage. Johannes Weimann erzählt von einer Frau, die zunächst nur einen Tag mitgehen wollte und nun spontan Urlaub nimmt und eine Woche mitpilgert.
Jetzt, auf den Etappen in der Romandie, werden es weniger, die täglich mitlaufen. Das Wetter hat umgeschlagen und die «Pilgerreise für Religionsfreiheit» ist in der französischsprachigen Schweiz kaum bekannt. Die Stimmung sei aber weiterhin sehr gut, sagt Anita Vögtlin, Kirchenrätin von Basel und Mit-Organisatorin der Pilgerreise.
Immer dabei ist die Petition für Religionsfreiheit, die bei der UNO in Genf eingereicht werden soll. Das Buch ist bereits mit über 100 Unterschriften, Widmungen und Danksagungen gefüllt. Die Einträge stammen von Personen, die mitgepilgert sind oder von der Pilgergruppe besucht wurden, wie Regierungsrätin Evi Allemann in Bern oder Bischof Gmür in Solothurn.
Pilgern für die Religionsfreiheit
Die muslimische Menschenrechtsaktivistin Seyran Ateş, der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert, Kirchenrätin Anita Vögtlin und Pfarrer Johannes Weimann wollen in der Schweiz ein Zeichen für Religionsfreiheit und Frieden setzen. Sie pilgern im September auf dem Jakobsweg von Basel nach Genf und hoffen, dass sich ihnen weitere Menschen anschliessen.
Die Route führt von der Stadt am Rhein über Welschenrohr, Solothurn, Bern, Fribourg und Lausanne nach Genf, wo eine Petition für Religionsfreiheit an die UNO übergeben werden soll. Aktuell befindet sich die Gruppe in Fribourg.
Neue Pilgerinnen und Pilger können sich während des gesamten Weges oder auch nur auf Teilstrecken anschliessen. Alle Daten und Informationen zur Pilgeroute gibt es auf www-erk-bs.ch.
Achtung! Die Ablaufzeiten sind teilweise um eine Stunde nach hinten geschoben worden. Siehe aktuelle Zeiten auf der Website von www.erk-bs.ch.
Impressionen der Etappen von Bern, über Rüeggisberg, Schwarzenburg, Fribourg, Ecuvilles, Romont nach Moudon.
Halbzeit: Auf den Spuren der Mittelalter-Pilger