Handfestes Halleluja und heisse Maschinen
In harmonischen Kurven schlängelt sich die Strasse von Waldenburg aufwärts Richtung Langenbruck. Eine Genussstrecke fĂĽr jeden Biker. Rund hundert Töfffahrer taten es mir gleich und nahmen die Strecke am zweiten Juni-Sonntag unter ihre zwei Räder: Ihr Ziel, der Töff-Gottesdienst auf dem Spittelhof.Â
Eine Orgel gab es zwar auch. Aber sonst unterschied sich die Feier im Stall des Hofguts von einem gewohnten Sonntagsgottesdienst. Angefangen bei den Fahrern, die sich mehrheitlich in Bikermontur präsentierten, über die Art der musikalischen Begleitung und den Wandschmuck, der mehr das Leben auf Erden als die paradiesischen Zustände im Himmel thematisierte. Auf einem der Wandplakate war zu lesen: «Asphalt ist wie Schleifpapier – nur krasser.»
Eine Lesung zum MitfiebernÂ
Pfarrer Torsten Amlin, selbst begeisterter Motorradfahrer, begrĂĽsste die angereisten Bikerinnen und Biker und vereinzelte Mitglieder seiner Kirchgemeinde Langenbruck mit den Worten: «Gott ist bei den Menschen, begleitet sie im Leben, ganz gleich, wer sie sind und in welcher Lage sie sich befinden.»Â
Bereits zum vierten Mal waren Liebhaberinnen und Liebhaber von schweren Maschinen zu Gast auf dem Spittelhof. Und das mit gutem Grund. Von allen motorisierten Verkehrsteilnehmern sind die Motorradfahrer diejenigen, die am meisten auf göttlichen Schutz angewiesen ist. Im vergangenen Jahr kamen 3793 Motorradfahrer zu Schaden. Für 51 Biker bedeutete die Freiheit auf zwei Rädern das Ende ihres irdischen Daseins. So sprach Pfarrer Amlin zu den Versammelten: «Herr, wir bitten Dich, lass die Verletzten wieder gesund werden. Die Toten wissen wir in Deiner Hand. Erbarme Dich ihrer Seelen. Tröste die Angehörigen und Freunde. Sei ihnen Beistand und schenke ihnen neuen Mut zum Leben. Amen.»
Wer im Gottesdienst auf vertraute Kirchenlieder hoffte, wurde enttäuscht. DafĂĽr heizte die Simply Blues Gang mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Orgel im ohnehin schon warmen Stall mit fetzigen Songs ein, und der Pfarrer wippte mit. Auch bei der Lesung ging es inhaltlich zur Sache. Torsten Amlin erzählte die Geschichte von König David und Bathseba. Deren Mann Uria befindet sich im Krieg. Als Bathseba von David schwanger wird, versucht dieser, Uria das Kind unterzuschieben. Mehrere Versuche schlagen fehl. Als ultima ratio lässt er Uria in die erste Reihe des Heeres stellen, wo dieser getötet wird. «Aber dem Herrn missfiel die Tat, die David getan hatte», heisst es im Alten Testament. David muss sich eine Strafrede anhören, bekennt seine Schuld und Gott vergibt ihm.Â
Gesegnet auf Tour
Eine handfeste Geschichte, wie sie das Leben schreibt. Sie passte gut zum rockigen Am-biente an diesem Sonntag. «Eine Geschichte, ungeschönt, ungeglättet», so der Pfarrer. König David, der Haudegen und Freischärler, der Menschen umbringen lässt, aber auch ĂĽber sich hinauswächst und den Goliath erledigt.Â
Mental so gestärkt, nahmen nach dem FĂĽrbittengebet die frisch Gesegneten die 75 Kilometer lange Ausfahrt guten Mutes unter die Räder. Es ging ĂĽber Reigoldswil Richtung Nunningen nach Bärschwil und ĂĽber Laufen und Grellingen wieder zurĂĽck auf den Spittelhof, wo der Brunch wartete. Am gleichen Sonntag fand auch in Hamburg ein Motorradgottesdienst statt: mit 19 000 Teilnehmenden. Zahlenmässig hat der Gottesdienst auf dem Spittelhof noch Luft nach oben.Â
Toni SchĂĽrmann / 28.6.2018
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Handfestes Halleluja und heisse Maschinen