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«Hier hat die Kirche einen Kredit, den sie nicht verspielen darf»

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25.05.2021
Nach elf Jahren als Spitalseelsorger am Bruderholz geht Pfarrer Hans Rapp Ende Mai in Pension. Er erklärt, was er an der Spitalseelsorge liebt und warum sie wichtig ist.

Nach 27 Jahren im Gemeindepfarramt beschloss Hans Rapp, sich um die Stelle als Seelsorger im Bruderholzspital zu bewerben. «Die Aufgabe reizte mich. Ich war 56 und wusste, dass ich jetzt wechseln musste, wenn ich noch etwas anderes machen wollte», sagt er.

Seither sind elf Jahre vergangen, und er hat es nie bereut. Vor zwei Jahren, als er 65 wurde, hat er den Dienst nochmals verlängert. Jetzt sei die Zeit gekommen, aufzuhören. «Ich gehe mit viel Dankbarkeit und Freude, aber auch etwas Wehmut hier weg.»

Kein Ort für Macher
Im Spital sei ihm ein grosser Horizontaufgegangen, erinnert sich Hans Rapp.Als Pfarrer in der Kirchgemeindesei man die Hauptperson, als Spitalseelsorger«quantité négligeable».«Das Spital funktioniert auch ohneuns. Ich musste lernen, dass ich nichtso wichtig bin. Das war eine gute Erfahrung.» Ebenso habe er erkennenmüssen, dass ein Spital kein Ort fürMacher sei. «In der Kirchgemeindekonnte ich ein Konflager, Anlässe undProjekte planen und durchführen. ImSpital muss ich die Dinge einfach geschehenlassen. Ich bin weder Arztnoch Therapeut.» Als Seelsorger bietetHans Rapp seine Präsenz an. Diesemüsse jedoch hundertprozentig sein. Wenn er merke, dass er innerlich nichtbei der Sache sei, verschiebe er Patientenbesuche.

Ein weiterer Unterschiedzum Gemeindepfarramt: Die Menschenim Spital repräsentieren die gesamteGesellschaft. Und die Spitalseelsorgendenbetreuen nicht nur die Patientinnen und Patienten. Sie haben auch ein offenes Ohr für ihre Angehörigen und alle Mitarbeitenden des Spitals.

Konfession spielt keine Rolle
In der Kirchgemeinde habe man es meist mit Reformierten zu tun, erklärt Hans Rapp. Es handelt sich sozusagen um ein Heimspiel. «Es hat mich darum immer wieder überrascht, wie hoch die Akzeptanz der Seelsorge hier ist.» Ganz selten, habe ihn jemand abgewiesen. «Hier hat die Kirche einen Kredit, den sie keinesfalls verspielen darf», betont der Pfarrer. Zu Beginn habe er im Spital noch auf die Konfession geachtet, doch bald habe er gemerkt, dass dies für die Leute keine Rolle spielt. Auch Krankensegnungen sind hier für beide Konfessionen eine Selbstverständlichkeit.

Im Spital beschäftigen den Seelsorger grundsätzliche, lebenswichtige Fragen, welche die Patienten umtreiben: Warum habe ich diese Krankheit? Was bedeutet das für meine Zukunft, für meine Angehörigen? «Menschen, denen ich noch nie begegnet bin, vertrauen mir und erzählen mir von ihrem Leben», sagt Hans Rapp. Wenn er schwierige Schicksale miterlebt, geht er manchmal nachdenklich nach Hause. Verlässt er ein Zimmer nach einer schönen Begegnung, fragt er sich oft, wer nun der Beschenkte ist.

Kurze, intensive Beziehungen
In der Spitalseelsorge können die Pfarrerinnen und Pfarrer eher selten dauerhafte Beziehungen aufbauen. Die Patienten kommen und gehen. Man beginne immer wieder von vorne, das koste Energie, so Hans Rapp. «Wir müssen innerhalb von Sekunden Vertrauen aufbauen. Meistens gelingt das, aber natürlich wird nicht jedes Gespräch tiefsinnig, das wäre zu viel erwartet. Doch die meisten freuen sich über den Besuch.»

Die Besuche der Seelsorgenden seien seit der Corona-Pandemie noch wichtiger geworden, weil die Angehörigen während des Lockdowns ausgeschlossen waren und auch heute nur beschränkt Zugang erhalten. Da sei es besonders nötig, da zu sein und zuzuhören.

Nach der Pensionierung Ende Mai möchte Hans Rapp erst mal «schauen, was passiert». Er sei gerne Grossvater, freue sich darauf, zu musizieren und im Chor singen zu können. Auf die Kanzel zieht es ihn nicht mehr. «Die Gottesdienste und die Gemeinde, die sich hier in der Spitalkapelle jeden Sonntag versammelt, sind mir aber lieb geworden. Ich kann mir vorstellen, dass ich hier weiterhin ab und zu in die Kirche gehe.»

Karin Müller

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