«Ich gebe jedem eine zweite Chance»
Heinz Hegetschweiler ist einer, der sich für andere einsetzt, sei es als Freiwilliger in der Gassenküche Schaffhausen oder als Küchenchef vom Mittagstisch der reformierten Kirchgemeinde Buchthalen. Zur Weihnachtszeit ist der Siebzigjährige zusätzlich im Einsatz: als Samichlaus im Märlitram und am Weihnachtsmarkt in Winterthur. Das Verkleiden liegt ihm. Und das ist gut so, denn er ist auch niemand Geringeres als der «oberste Fasnächtler der Schweiz», sprich: der Präsident des HEFARI-Fasnachtsverbands Schweiz.
«Ein Wirt schlüpft in viele Rollen»
Aber egal ob kostümiert oder nicht, Heinz Hegetschweiler bleibt stets sich selbst. Und das bedeutet jemand, der viel Erfahrung hat im Umgang mit Menschen. Er berichtet: «Ich habe viel erlebt im Gastgewerbe, habe nächtelang diskutiert und zugehört – als Berater, Zuhörer, Therapeut. Ein Wirt schlüpft in viele Rollen.»
Hegetschweiler kam in Zürich zur Welt, wo er die ersten sechs Lebensjahre verbrachte. Er erzählt von einer behüteten Kindheit als ältester Sohn einer fünfköpfigen Familie. «Mein Vater war Polizist. Er hat sich sozial engagiert, das habe ich wohl von ihm übernommen.» In den Ferien war der junge Heinz oft zu Besuch bei seinen Grosseltern in Schleitheim im Kanton Schaffhausen. Nach der Schulzeit absolvierte er eine Lehre als Koch, und seine ersten Berufsjahre führten ihn als Chef de Service nach Spreitenbach. Dort lernte er seine Frau Marlies kennen, mit der er seit 47 Jahren verheiratet ist und zwei Töchter hat. Nach weiteren beruflichen Stationen übernahm das Ehepaar im Jahr 1991 die Pacht des Gasthauses Löwen in Schleitheim und zog nach Schaffhausen ins Quartier Buchthalen.
Dort schwingt Heinz Hegetschweiler monatlich den Kochlöffel für den Mittagstisch der reformierten Kirchgemeinde. Er führt das Freiwilligenteam in Küche und Service, plant die Menüs, kümmert sich um den Einkauf und um die Abrechnung. Der Mittagstisch bietet den Gästen ein vollwertiges Menü für fünf Franken. «Wir schenken den Leuten die Chance für ein gemütliches Mittagessen in Gesellschaft. Damit wirken wir der Tendenz zur Einsamkeit und Verwahrlosung entgegen», erklärt er. Er bereite anderen gerne eine Freude. «Es braucht ja nicht viel, damit sich jemand wohlfühlen kann. Ein Lächeln und ein freundliches Wort genügen oft, um in leuchtende Augen zu blicken. Für solche Momente tue ich diese Arbeit sehr gern.»
Die Ruhe bewahren
Im Freiwilligenteam arbeitet er mit den unterschiedlichsten Menschen zusammen, unterstützt von seiner Frau Marlies. «Das ist etwas, was ich aus dem Gastgewerbe gut kenne.» Er erzählt lebhaft von seiner Ausbildungszeit, als er mit Mitarbeitern aus aller Welt zusammengearbeitet hatte. «Wir hatten keine gemeinsame Sprache, aber jeder gab sich Mühe, etwas dazuzulernen. So haben wir von jeder Sprache ein paar Brocken aufgepickt.» Diese Erfahrungen helfen ihm heute, die Mitmenschen zu nehmen, wie sie sind: «Jeder hat eine zweite Chance verdient. Ich versuche, nicht vorschnell zu urteilen, wenn jemand etwas sagt, sondern erst einmal zuzuhören.»
Freilich könne immer mal etwas schiefgehen. Aber er habe gelernt, Ruhe zu bewahren. «Wenn ein Teller heruntergefallen ist, liegt das Essen bereits auf dem Boden. Da hilft nur aufkehren und weitermachen. Die Situation analysieren kann man später in Ruhe.»
Ein besonderer Wunsch
Mit seinem freiwilligen Engagement möchte er etwas zurückgeben. «Ich bin für vieles in meinem Leben dankbar, meine Familie hatte bis jetzt keine grösseren Schicksalsschläge zu verkraften. Das ist nicht selbstverständlich.» Darüber hinaus seien die sozialen Verpflichtungen auch Fixpunkte. «Meine Frau und ich kommen aus dem Haus, sind unter den Leuten. Das ist eine gesellige Seite, die uns wohltut.»
«Ich gebe jedem eine zweite Chance»