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«Ich glaube nicht, dass das Böse siegt»

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25.10.2018
Keiner kennt die Krisenherde dieser Welt so gut wie der Schweizer Kriegsreporter Kurt Pelda. Seit über 30 Jahren berichtet er über Gewalt, Leid und Elend. Trotzdem bleibt er optimistisch.

«Denke niemals, dass der Krieg, egal wie erforderlich oder wie begründbar er ist, kein Verbrechen ist», hat der Kriegsreporter Ernest Hemingway einmal erklärt. Kurt Pelda könnte dieses Zitat unterschreiben. Er, der sich im Niemandsland zwischen den Fronten bewegt und erlebt, wie Scharfschützen Zivilisten erschiessen, deren «Leiber über Tage in der Sonne dahinrotten und sich in der Hitze aufblähen». «Niemand wagt, sie zu bergen, es ist zu gefährlich», schreibt er lakonisch.

Kurt Pelda ist der bekannteste Kriegsberichterstatter der Schweiz. In den vergangenen 34 Jahren war er in mehr als zwanzig Krisengebieten unterwegs. Der Basler passt nicht ins Klischee des forschen Kriegsreporters. Er ist zurückhaltend, freundlich, «normal» eben, bis er anfängt über seine Arbeit zu sprechen, dann wird er leidenschaftlich. 2014 erhielt er den Schweizerischen Menschenrechtspreis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.

Angst vor Entführung
Im Juli kam Kurt Pelda von seiner bisher letzten Reise in die kurdischen Gebiete im Irak und in Syrien zurück, wo er Kontakt mit Christen hatte. Das Assad-Regime hat ihn zur Verhaftung ausgeschrieben. Er reist illegal in Syrien ein und lebt gefährlich. Fällt er der Regierung in die Hände, kommt er nicht mehr zurück. «Ich hatte auf diesen Reisen immer Angst», sagt er. Mehr als die Furcht vor einer Verhaftung oder dem Tod bei einem Angriff beschäftigt ihn die Gefahr, entführt zu werden. Die sei viel grösser. Am schlimmsten ist es aber vor den Reisen, weil dann die Ungewissheit am grössten sei.

Die langjährige Erfahrung kommt dem 53-Jährigen zugute, wenn er entscheiden muss, welche Route er wählt und welchen Leuten er vertraut. Pelda geht keine unnötigen Risiken ein, befolgt elementare Regeln, etwa sich nachts nicht oder nur mit Begleitschutz auf den Strassen aufzuhalten. «Aber natürlich kann immer etwas schiefgehen», räumt er ein. Nach seinen Reisen leidet er unter Schlafstörungen. «Der Horror in Syrien stellt alles in den Schatten, was ich in meiner Laufbahn als Kriegsreporter erlebt habe», sagt er über diesen Konflikt.

Exodus der Christen
Kurt Pelda hält in der ganzen Schweiz Vorträge. Auf Einladung der Kirchgemeinde berichtete er Mitte September in Zunzgen/BL unter dem Titel «Christenverfolgung» über seine Erfahrungen im Nahen Osten. Er spricht lieber vom Exodus der Christen als von Christenverfolgung. «Es ist alles viel komplizierter, als der Begriff ‹Christenverfolgung› suggeriert», sagt er. Der islamistische Terror habe die Christen aus dem Südirak vertrieben. Ihr Auszug habe im Nahen Osten aber nicht erst mit dem Islamischen Staat begonnen, sondern bereits vor 50 Jahren.

Auf seiner letzten Reise traf der Journalist Christen, die vom Verkauf von Alkohol leben. «Ihre Läden sind sehr beliebt bei den Muslimen, die dort in Ruhe Shisha rauchen und Bier trinken.» Es gibt christliche Milizen, die mit den Kurden kämpfen, und solche, die Assad unterstützen. Die Christen seien wie alle Parteien im Syrienkrieg auch für Kriegsverbrechen verantwortlich. «Sie sind nicht nur Opfer, sondern manchmal auch Täter», sagt Pelda. «Die Religion wird missbraucht, um Hass für politische Zwecke zu schüren, nicht nur von den Dschihadisten, auch vom syrischen Regime und anderen.»

Reporter statt Freiheitskämpfer
Neugier und Abenteuerlust trieben Kurt Pelda als Jugendlichen in den Mittleren Osten. Mit 19 reiste er nach Afghanistan, um sich den Mudschaheddin anzuschliessen, die in den Achtzigerjahren gegen die sowjetischen Besatzer kämpften. «Ich war naiv und voller Illusionen, ich konnte noch nicht verstehen, dass auch ein legitimer Widerstand gegen eine ausländische Besetzung degenerieren kann.» In Afghanistan erlebte er, dass Freiheitskämpfer Unschuldige töten. Statt Söldner wurde er Reporter.

Pelda will verstehen, wer hinter diesen Kriegen steckt, es ist ihm wichtig, dass die Schweizerinnen und Schweizer dies erfahren. «Die Hoffnung, dass sich in Syrien bald etwas ändert, habe ich aufgegeben. Trotzdem müssen wir wissen, was dort passiert.» Die Realität sei komplex, einfache Antworten gebe es nicht. Lösungen finde man nur, wenn man begreife, um was es geht. Darum frustriert es ihn umso mehr, dass man im Westen über diesen Konflikt so schlecht informiert sei, «und zwar bis zu den Entscheidungsträgern».

Etwa über die Gemütslage in der arabischen Welt. Der Abstieg der Araber in die Bedeutungslosigkeit nach jahrhundertelanger osmanischer Besetzung habe Minderwertigkeitsgefühle erzeugt, erklärt Pelda. Die Araber sähen sich als Opfer, gäben Israel oder Amerika die Schuld, nie sich selber. «Die Extremisten nützen das aus, behaupten, man werde vernichtet, wenn man sich nicht wehrt. Aus dieser Opferrolle entsteht die unglaubliche Brutalität. Sie ist keine Erfindung des IS. Es gibt Videos mit Assad-Leuten, die andere lebendig begraben, steinigen und köpfen.»

Trügerische Gastfreundschaft
Pelda fühlt sich in der muslimischen Welt wohl. «Die Gastfreundschaft, gerade in Syrien, ist überwältigend.» Leicht lasse man sich durch diese Freundlichkeit beeindrucken. «Das passierte mir sicher auch am Anfang.» Mittlerweile weiss er, dass auch Leute, mit denen man zusammen Tee getrunken hat, Kriegsverbrecher sein können, die bei Strassensperren Frauen aus dem Bus zerren, sie vergewaltigen und Wehrlosen die Kehle durchschneiden. «Das hat mich schockiert. Trotzdem bin ich ein Idealist und vor allem ein Optimist. Ich glaube nicht, dass das Böse siegt.» Er hofft und fordert, dass die Kriegsverbrecher aller Parteien vor Gericht kommen.

An Gott hingegen glaubt Kurt Pelda nicht mehr. «Als ich so jung nach Afghanistan ging, hätte ich es mir vorstellen können, Muslim zu werden», sagt er. Bei den Afghanen in den Bergen sah er zum ersten Mal «für mich glaubwürdige Religiosität. Die kannte ich von zu Hause nicht. Diese Männer und Kämpfer haben mich tief beeindruckt, auch wenn es sicher nicht das Leben war, das ich mir wünschte. Seither habe ich so viel Schlimmes gesehen. Das hat mir den Glauben an einen Gott, der all das zulässt, erschwert.»

«Um die Welt zu verstehen, muss man die Menschen gesehen haben.» Noch ein Satz von Hemingway, den Kurt Pelda wohl unterschreiben könnte.

Karin Müller, kirchenbote-online, 25. Oktober 2018

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