Ende Sommer stand für Severin Hirt ein wichtiges Datum an: Am 15. August wurde er in der Pauluskirche in Olten von Pfarrer Erich Huber in Anwesenheit von Synodalratspräsidentin Evelyn Borer und Synodalrätin Sandra Knüsel ordiniert. Der Titel Verbi divini minister (Diener am göttlichen Wort) erlaubt es Hirt, ein Pfarramt in der Schweiz zu übernehmen. Für den 35-Jährigen ist dies ein grosser Moment der Erleichterung. Hinter ihm liegen sieben Jahre Theologiestudium und ein einjähriges Praktikum in der Kirche Unterstrass in Zürich. Im Herbst übernimmt er eine Stellvertretung in Hägendorf.
Vikariatsjahr in der Corona-Pandemie
Severin Hirt musste für den Abschluss einiges absolvieren: Prüfungspredigt, Gemeindeprojekt, Seelsorge- und Bildungsprüfung. Sein Vikariatsjahr in Zürich war von der Corona-Pandemie geprägt: Konfirmandenkurs mit Masken und von Januar bis März wurden viele Veranstaltungen gestrichen. Hirt fehlte der Austausch mit den Leuten. «Trotz Corona war die Kirche nicht leer», erzählt er. Im Durchschnitt kamen 30 bis 50 Unentwegte.
Seine Frau ist berufstätig. Während des Studiums leben die beiden in Olten, seine Frau Nicole wird schwanger, und eine Tochter kommt zur Welt. Hirt passt drei Tage in der Woche auf Anna auf. Das sei eine besondere Herausforderung gewesen, sagt der Familienvater. Er möchte diese Zeit nicht missen. Just in der Prüfungsphase des Vikariats kommt seine zweite Tochter zur Welt.
Severin Hirt hegt schon lange den Wunsch, Pfarrer zu werden: «Ich will den Menschen vermitteln, dass sie Gott begegnen können. Das kann in einem Lied geschehen, in einem Musikstück, in einer Predigt oder in der Natur.» Hirt gefällt der Wahlspruch der Kirchgemeinde Olten: «Jesus Christus ist unser Weg.»
Zunächst nur eine vage Idee
Als Teenager sucht Severin Hirt nach dem Sinn des Lebens und entdeckt diesen im Christentum. Damals legt er den Samen für sein Theologiestudium. «Doch das war nur so eine vage Idee», erzählt er. Er traut es sich noch nicht zu. Stattdessen studiert er Wirtschaft. Als er am Master für Internationales Management ist, merkt er, dazu kann er nicht Ja sagen. Er gibt das Studium auf, um Theologie zu studieren.
Seine Frau unterstützt ihn auf diesem Weg, der schliesslich sieben Jahre dauert. «Eine lange Zeit», sagt Severin Hirt, doch er ist glücklich über den Entscheid. «Ich hatte schon als Jugendlicher ein grosses Interesse an der Bibel, arbeite gerne mit Menschen und bin gerne mit ihnen unterwegs.» Während des Studiums steht Hirt schon ab und zu auf der Kanzel. Es gefällt ihm, aber er merkt, dass er sich noch verbessern kann.
Die Kraft des Christentums
Die Kraft der biblischen Botschaft fasziniert Hirt. Dass aus der kleinen Gruppe der Zwölf Apostel eine Bewegung entstand, die 350 Jahre später grosse Teile der antiken Welt eroberte, beeindruckt ihn. «Der Weg von Jesus ist der Weg des Friedens. Jesus ist dadurch mächtiger als diejenigen, die auf Waffen setzen. Für diesen Weg wurde er gekreuzigt.» Auch später seien Menschen für diesen Glauben hingerichtet worden. Man könne diese 2000-jährige Geschichte doch nicht einfach beiseite schieben.
Mitgliederschwund und schwächelnde Finanzen – bereitet die Zukunft der Kirche dem Jungpfarrer keine Sorgen? Er sei von seinem Naturell her optimistisch, ein Typ, der eher das halb volle Glas sehe, meint Severin Hirt. Auch im Bezug auf die Kirchen. Natürlich seien der Trend zur Säkularisierung und leere Kirchenbänke demotivierend. Im Gegensatz zu anderen Ländern sei in der Schweiz ein grosser Teil der Bevölkerung Mitglied in einer der Landeskirchen. «Langfristig kann das Pendel wieder zurückschlagen», ist Hirt überzeugt. «Vieles, was heute hip und relevant erscheint, spielt in Zukunft keine Rolle mehr. Das Christentum jedoch bleibt relevant.» Zudem könne Gott bewirken, dass die Menschen wieder mehr Interesse am Glauben zeigen. Hirt ist sich dessen bewusst, dass die Kirche Reformen braucht, um für künftige Generationen attraktiv zu sein.
Manchmal fragt sich Hirt: Wie werden die Töchter den christlichen Glauben erleben? Dann wird ihm bewusst, dass die Kirche schon bald 2000 Jahre alt ist und sich in anderen zeitlichen Dimensionen bewegt als ein Pfarrleben. Dies stimmt ihn tröstlich.
Tilmann Zuber
«Ich sehe das halb volle Glas»