«Ich stehe für die Vielfalt von Gottes Schöpfung»
Sie wurden am 24. Mai zum Bischof der Christkatholischen Kirche gewählt. Wie geht es Ihnen?
Ich bin voller Freude. Und immer noch überwältigt vom Vertrauen, das mir die Nationalsynode entgegenbringt. Es ist eine grosse Verantwortung, die ich jetzt übernehme. Doch ich weiss auch, dass ich nicht allein bin. Unsere Kirche ist bischöflich-synodal organisiert. Sie wird nicht nur von mir geleitet, sondern genauso vom Synodalrat.
Ist Ihr Terminkalender schon voll?
Vorerst bin ich Bischof electus, also gewählter Bischof. Geweiht werde ich erst am 14. September. Bis dahin übernehme ich nur wenige Aufgaben, das meiste macht noch der Bistumsverweser Pfarrer Daniel Konrad, der seit dem altersbedingten Rücktritt von Bischof Harald verantwortlich ist. Mitte Juni nehme ich aber zum Beispiel an der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz der Utrechter Union in Prag teil.
Die Utrechter Union ist die Kirchengemeinschaft der altkatholischen Kirchen. Ist die christkatholische Kirche auch sonst international vernetzt?
Wir sind Mitbegründerin des Ökumenischen Rates der Kirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz. Mit der anglikanischen Kirche haben wir eine volle Kirchengemeinschaft. Das heisst wir können uns gegenseitig als Priester und Priesterinnen vertreten. Als eine von drei Landeskirchen sind wir natürlich auch im interreligiösen Dialog in der Schweiz engagiert.
Sie sind offen schwul und jetzt Bischof. Wie fühlt sich Ihre Wahl unter diesem Aspekt für Sie an?
Meine Wahl ist ein starkes Zeichen für alle queere Menschen. Die christkatholische Kirche ist in dieser Frage fortschrittlich. Dass ich seit 28 Jahren mit meinem Partner zusammenlebe, war ja auch kein Hinderungsgrund für meine Priesterweihe. Es bedeutet mir viel, für die Vielfalt zu stehen, die in Gottes Schöpfung angelegt ist. Und zwar die ganze Vielfalt unter uns Menschen, nicht nur jene der sexuellen Orientierung.
Seit zwei Jahren gilt bei Ihnen das Ehesakrament auch für gleichgeschlechtliche Paare. Erst wurde Widerstand aus der Utrechter Union befürchtet.
Der kam nicht. Natürlich gibt es altkatholische Nationalkirchen, die weniger offen sind gegenüber queeren Menschen. Aber das Tolle an der Utrechter Union ist, dass die einzelnen Ortskirchen viel Gestaltungsfreiheit haben. Jedenfalls hat unsere Nationalsynode 2022 mit überwältigender Mehrheit ja gesagt zur Ehe für alle. Das war ein sehr berührender, fast heiliger Moment für mich.
Sie sind reformiert aufgewachsen. Wie kam es, dass Sie christkatholischer Priester wurden?
Als ich klein war, ging ich oft in die römisch-katholische Messe mit meiner Kinderfrau. Und ich kannte die Berner Kirche St. Peter und Paul, später ergaben sich Freundschaften mit Kirchgemeindemitgliedern. Als ich beschloss, auf dem zweiten Bildungsweg in Bern Theologie zu studieren, habe ich im evangelischen Departement angefangen. Nach Praktika in reformierten Kirchgemeinden wechselte ich fürs Hauptstudium ins christkatholische Departement. Denn in dieser Zeit wuchs in mir die Erkenntnis, dass ich im Herzen schon immer katholisch empfand.
Im Moment studiert kaum jemand christkatholische Theologie an der gemeinsamen Fakultät in Bern.
Nein, so ist es nicht. Wir haben zwar wenig Studienanfänger und -anfängerinnen, aber einige Doktorierende, Postdocs, Studierende im Ergänzungsstudium und Quereinsteigende. Wir haben ein Nachwuchsproblem, das stimmt. Wir müssen uns dringend der Frage stellen, wie wir in unserer Kirche junge Menschen motivieren können, Priesterin und Priester zu werden.
Die Christkatholische Kirche der Schweiz hat grad mal um die 12'000 Mitglieder, verteilt auf viele kleine Kirchgemeinden. Hat das noch Zukunft?
Regionalisierung ist sicher ein Thema, damit das kirchliche Leben nicht verkümmert. Auch da stehen wir vor grossen Herausforderungen.
Sie feiern weitgehend nach derselben Liturgie wie die römisch-katholische Kirche, mit denselben Sakramenten. Wieso gelingt es Ihnen nicht, mehr Katholikinnen und Katholiken anzuziehen, die die Nase voll haben von Rom und Reformen wie zum Beispiel das Frauenpriestertum fordern?
In der christkatholischen Kirche der Schweiz sind Frauen seit 1999 zum Priester- wie zum Bischofsamt zugelassen. Heute haben wir 9 Priesterinnen und 17 Priester im aktiven Dienst. Weil wir so klein sind, sind wir auch nicht sehr bekannt. Wir müssen sichtbarer werden, mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten. Viele Leute treten aus Protest erstmal aus der Kirche aus. Danach bleiben die meisten spirituell Suchende. Ihnen möchten wir eine kirchliche Heimat bieten. Wie die die anderen Landeskirchen sind wir aber auch von der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft betroffen.
Wie katholisch ist die christkatholische Kirche?
In der Schweiz haben wir uns 1875 von der römisch-katholischen Kirche getrennt. Aber wir feiern gültige Sakramente in der apostolischen Nachfolge. Das wird von der römisch-katholischen Kirche auch nicht bestritten. So gesehen sind wir durch und durch katholisch.
Sie stehen also immer noch der römisch-katholischen Kirche am nächsten?
Wir sind aus ihr hervorgegangen. In der Liturgie nehmen wir eine 2000-jährige Tradition mit. Doch wir übersetzen sie ins Heute. Das heisst: Wir sind eine moderne, aufgeschlossene und progressive katholische Kirche.
Neuer Bischof
Am 24. Mai ist der 61-jährige Frank Bangerter von der christkatholischen Nationalsynode in Aarau zum neuen Bischof gewählt worden. Seit 2010 ist er Pfarrer in der Christuskirche Zürich-Oerlikon. Er trat gegen Christoph Schuler, Pfarrer in Bern und Grenchen, und den Zürcher Pfarrer Lars Simpson an und wurde im sechsten Wahlgang gewählt. Bangerter ist Ökonom und hat nach zehn Jahren Arbeit im Personalwesen Theologie studiert.
«Ich stehe für die Vielfalt von Gottes Schöpfung»