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«Ich wünsche mir eine mutige Kirche»

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29.10.2021
Die neu gewählte Kirchenrätin Franziska Bevilacqua steht mit beiden Beinen im Leben und schöpft Kraft aus dem Glauben. Gottesdienste würde sie ab und zu gerne mal mit einem Clown aufpeppen.

Ihre blauen Augen blicken offen und interessiert. Sie haben schon viel von der Welt gesehen, denn Franziska Bevilacqua ist als Flight-Attendant bei der Swissair in der ganzen Welt herumgekommen. Die Tochter eines Berner Ehepaars verbrachte ihre frühe Kindheit in Südamerika und Afrika. Nachdem die Familie in die Schweiz zurückgekehrt war, gehörte internationaler Besuch zum Alltag: «Die weltoffene Art meiner Eltern hat mich geprägt, ich hatte schon früh ein grosses Interesse an Menschen aus allen Kulturkreisen und den Wunsch, zu reisen und Sprachen zu lernen.» Neben allem Aufbruch gehören auch sanfte Landungen zu ihrer Biografie. Sie finden sich im Berufs- und im Familienleben sowie in ihrem Engagement für den Glauben und für die Kirche. Ihr klangvoller Nachname stammt von ihrem italienisch-schweizerischen Ehemann. Franziska Bevilacqua ist Mutter dreier erwachsener Kinder und Grossmutter eines neunmonatigen Enkelkindes.

Die Arbeitsstelle ihres Mannes hatte sie vor 30 Jahren nach Schaffhausen geführt. Sie arbeitete damals nach kaufmännischer Ausbildung und einigen Jahren Berufspraxis als frischgebackene Flugbegleiterin. Nach der Ankunft des ersten Kindes entschied sie sich für eine Auszeit zugunsten der Familie. Die jungen Eltern setzten sich intensiv mit Weltanschauungsfragen auseinander: «Als Familie fanden wir Anschluss in einer freikirchlichen Glaubensgemeinschaft. Das war wertvoll, aber mit der Zeit wurde dieser Rahmen zu eng für uns.»

Sprung ins kalte Wasser
Franziska Bevilacqua, getauft und konfirmiert in der reformierten Kirche, zog es dahin zurück: «Ich bin sehr gerne reformiert. Die Weite und die Tiefe im Denken faszinieren mich. Durch Predigten und Erwachsenenbildungskurse konnte ich vieles lernen und bin reich beschenkt worden.» In der Kirchgemeinde Neunkirch engagierte sie sich zunächst in der Strukturreformkommission, dann als Präsidentin des Kirchenstands: «Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und habe durch viel Unterstützung immer weiter dazugelernt. Diese Zeit war sehr prägend für mich.»

Als nach fünf Jahren die Anfrage vom Kirchenrat kam, fiel es ihr schwer, das Amt in Neunkirch aufzugeben. Heute ist sie überzeugt, als Kirchenrätin am richtigen Platz zu sein: «Dieses Amt ist eine grosse Aufgabe. Aber es reizt mich, mich in die kirchliche Sozialarbeit einzubringen, Menschen für Projekte zu motivieren und zu verbinden.» Sie bezeichnet sich als ausdauernd «und treu, in dem, was ich tue». Ihr Temperament sei ausgeglichen: «Ich überlege lieber zweimal, bevor ich etwas tue, möchte dann aber auch zu einem Ziel kommen und Angefangenes beenden können.»

Der Kirche wünscht sie Mut: «Ich wünsche mir eine Kirche, die aus ihrer Hoffnung und ihrer Lebenskraft heraus auch Neues wagt.» Zum Beispiel in Gottesdiensten: «Warum nicht mal einen Clown oder einen Jodler im Gottesdienst auftreten lassen oder die Leute aus ihren Leben erzählen lassen? Wie wär’s mit Musik- und Tanzgottesdiensten? » Aber auch schnelle, unbürokratische Hilfe in Krisensituationen sei wünschenswert. Wie die Heilsarmee, die sofort zur Stelle war, um an die Gestrandeten vom Swissair- Grounding vor 20 Jahren Kaffee und Sandwiches zu verteilen. «Mit solchen Aktionen würden wir für die Gesellschaft sichtbar werden», ist die Kirchenrätin überzeugt.

Aus dem persönlichen Glauben schöpfen
Franziska Bevilacqua schöpft aus ihrem persönlichen Glauben. «Ich bin sicher, dass Gott jeden Menschen im Blick hat. Das berührt mich sehr.» Grosse Kraft liege in der Gemeinschaft: «Wir haben als Kirche den Auftrag, den Menschen Hoffnung und Zukunft zu schenken. Das gelingt nur, wenn wir als Gemeinschaft füreinander da sind.» So erlebt sie auch die Kantorei Neuhausen, in der sie als begeisterte Chorsängerin mitwirkt. Lange Spaziergänge in der Natur mit Familienhündin Guapa und gute Freundschaften sind weitere Energiequellen. Diese beschränken sich aber nicht allein auf die Freizeit: «Ich arbeite gerne und bin voll und ganz da, wo ich gerade bin. Das empfinde ich als grosses Geschenk.»

Adriana Di Cesare

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