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Gegen den Pfarrmangel

In Gächlingen gibt es «Loch-Gottesdienste»

von Carmen Schirm-Gasser
min
30.01.2025
Der Pfarrmangel wird brisanter. In den Kirchgemeinden gibt es Vorstösse, wie etwa in Gächlingen, wo die Gemeindemitglieder ermuntert werden, drei Gottesdienste selber zu gestalten.

Das Problem ist bekannt. Bei der reformierten Kirche werden in den nächsten Jahren Pfarrstellen nicht besetzt werden können. Man rechnet in der Deutschschweiz mit 411 unbesetzten Pfarrstellen bis 2030. Die Reformierte Kantonalkirche Schaffhausen stellte deshalb vergangenen November an der Synode eine Strategie vor, um dem künftigen Pfarrmangel etwas entgegenzusetzen. In der pastoralen Rundumversorgung war bislang der Pfarrer oder die Pfarrerin für alles zuständig. Neu sollen auch andere Berufsgruppen diese Aufgaben übernehmen können, wie Prädikantinnen, Sozialdiakone und Katechetinnen, und das Pfarramt stünde für eine Grundversorgung mit kleinem Pensum zur Verfügung.

Risiko, dass Gottesdienste ausfallen

Auch in einzelnen Kirchgemeinden ist man daran, neue Wege zu gehen. So etwa in Gächlingen, einer kleinen Kirchgemeinde mit rund 500 Mitgliedern. Neben den regulären Gottesdiensten finden hier auch zahlreiche Spezialgottesdienste statt, wie der Chilbi-Gottesdienst, der Basar in der Turnhalle oder der Suppenzmittag – Gottesdienste, die meist mehr als die durchschnittlich rund 40 Besuchenden anziehen. Neu ist: Im vergangenen Jahr wurden zwei Gottesdienste nur von Gemeindemitgliedern gestaltet – ganz ohne Mitwirkung einer Pfarrperson. Mit diesem Schritt soll die Pfarrgemeinde auf eine Zeit vorbereiten werden, in der die Pfarrstelle entweder nicht oder nur noch teilweise besetzt sein könnte. Denn das örtliche Pfarrehepaar Marianne und Werner Näf, die sich eine 50-Prozent-Pfarrstelle teilen, wird nächstes Jahr pensioniert.

Der Grunddrive muss von der Gemeinde kommen.

Die Idee für den «Loch-Gottesdienst», heute heisst er «Gottesdienst mit Gemeindeteam», hatte Werner Näf dem Kirchenstand vergangenes Jahr vorgestellt. «Wir haben die zwei Gottesdienste bewusst ausgeschrieben, allerdings vor dem Hintergrund, dass wir nicht dabei sein werden und nichts im Vorfeld geplant haben, weder Musik, Predigt noch etwas anderes», sagt Werner Näf. Lange Zeit war nicht klar, ob sich aus der Kirchgemeinde heraus tatsächlich ein Team finden würde, das den Gottesdienst leitet. Das Risiko bestand also, dass die Gottesdienste ausfallen können. Doch: «Es zeigte sich, dass dies für viele Mitglieder heikel gewesen wäre. Wir hatten im Pfarramt den Eindruck, es hätte deutliche Reklamationen gegeben, wäre der Gottesdienst ausgefallen.»

Beim Gottesdienst selbst war Werner Näf bewusst abwesend. Er besuchte den Gottesdienst in der Nachbargemeinde. «Wir wollten weder im Voraus Impulse setzen noch im Nachhinein kontrollieren», sagt er. Feedbacks nach den Gottesdiensten aus der Kirchgemeinde bekam er so gut wie keine, was er

positiv bewertet. Näf hatte nur vernommen, dass der Präsident vom Kirchenstand, Philippe Niklaus, eine gute Predigt gehalten habe, die er jedoch als Privatmann gehalten hatte und nicht in seiner Funktion. Auch die Kantonalkirche habe die Grundidee positiv wahrgenommen.

Bewusst eine Lücke geschaffen

«Wir wollen ganz bewusst eine Lücke schaffen, um die Menschen zu sensibilisieren, Freiraum zu schaffen und zu sehen, ob sich etwas entwickeln kann.» Bereits früher habe man versucht, Mitglieder für eine Beteiligung zu gewinnen. Das habe jedoch nicht funktioniert. Die Leute hätten das Gefühl gehabt, sie müssten den Pfarrer unterstützen, worum es jedoch gar nicht ginge. Es sei ein neuer Denkansatz gefragt. «Im reformierten Grundverständnis ist der Gottesdienst eine Aufgabe der Kirchgemeinde.» Es sei zwar wichtig, dass es gut ausgebildete Pfarrpersonen gebe, die die Gläubigen begleiten können. Der Grunddrive müsse jedoch von der Gemeinde kommen.

Marianne und Werner Näf setzen noch ein weiteres Zeichen: Sie verschieben ihre Pensionierung um drei Jahre, bis 2029. Dadurch, sagt er, habe die Kirchgemeinde Zeit, zusammen mit Kirchenstand und Pfarramt das Projekt zu entwickeln. Er stehe bereit, Hilfestellung zu geben, mit Schulungen etwa zu liturgischen Teilen, Lesungen oder dem Umgang mit Mikrofonen in der Kirche. Im kommenden Jahr sind drei Gottesdienste geplant, welche die Kirchgemeinde selbst organisieren muss.

 

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