In Wort und Bild nach Schätzen graben
Was hat das thurgauische Schloss Gottlieben am Bodensee mit dem böhmischen Reformator Jan Hus zu tun? Was das Museum Paul Klee in Bern mit Religion und Gotteserfahrung? Und wo finden sich in der Schweiz alte Baptisterien, aus denen sich Erkenntnisse über die Taufpraxis der frühen Christen gewinnen lassen? Antworten auf diese und weitere Fragen rund um Kirche, Kirchengeschichte, Kultur, Theologie und Spiritualität finden sich auf der Website «Theos». Das griechische Wort für «Gott» bildet hier ein Akronym und bedeutet aufgeschlüsselt «Theologisch bedeutsame Orte in der Schweiz». Die Website ist ein Projekt der Theologischen Fakultät der Universität Bern – des Instituts für Historische Theologie, um genau zu sein.
In den Rahmen passt vieles
Wer die Seite anwählt, findet gegen 20 allgemeinverständlich abgefasste Abhandlungen in überschaubarer Länge «zu Orten in der Schweiz, die nach Ansicht der Autorinnen und Autoren von theologischer Bedeutung sind oder sein sollten», wie die Verantwortlichen schreiben. Sie laden die Leserschaft ein, «bekannte Orte mit anderen Augen zu sehen» – und auch, allenfalls gleich selbst einen Beitrag von 5000 bis 6000 Zeichen über einen entsprechenden Ort nach freier Wahl beizusteuern. In den weit gefassten Rahmen passen ohne Weiteres auch nichtchristliche Örtlichkeiten wie der jüdische Friedhof Endingen-Lengnau oder ganze Ortschaften wie Männedorf am Zürichsee, das durch das Wirken der christlichen Heilerin Dorothea Trudel Mitte des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der sogenannten Heiligungsbewegung wurde.
Nähere Angaben zum Verfassen eines Artikels finden sich auf der Website. Mitinitiantin ist Katharina Heyden, Professorin für Ältere Geschichte des Christentums und der interreligiösen Begegnungen in Bern. Sie sei fasziniert von der Vielfalt an historisch und religiös prägenden Orten in der Schweiz, sagt die deutsche Theologin, in deren Heimat durch die beiden Kriege so viel an baulichem Kulturgut verloren gegangen ist. Ein journalistischer Rundblick auf ausgewählte kirchenhistorische Stätten in der Schweiz erfolgte unter Heydens Mitwirkung bereits vor zwei Jahren im Heft «konstruktiv». Diese Nummer entstand unter der Schriftleitung des Berner Institut für Historische Theologie, als Beilage zum Magazin «bref». Der Funke zündete nachhaltig; die Macherinnen und Macher der Beilage beschlossen, das Konzept auf dem Internet weiterzuführen, unter Beizug weiterer Autorinnen und Autoren.
Raus aus dem Elfenbeinturm
Entstanden ist dabei also die Website «Theos», auf der zu den bereits aufgeschalteten Beiträgen nach und nach weitere Artikel folgen sollen. Jede der abgehandelten Örtlichkeiten bekommt auf einer elektronischen Landkarte einen Markierungssticker. Noch hält sich die Anzahl Nadeln in überschaubarem Rahmen; dafür, dass es mehr werden, soll landesweit eine möglichst breit gefasste Schar an Interessierten sorgen, von der Lehrerin über den Pfarrer bis zur Lokalhistorikerin oder dem Stadtbibliothekar. Und vielen weiteren Interessierten. Die eingesandten Beiträge werden am Institut geprüft, wenn nötig redigiert und dann aufgeschaltet. Wer lieber nicht selber schreiben möchte, aber einen lohnenden Ort kennt, kann dem Homepage-Team auch einfach ein paar Stichworte liefern. Die Verantwortlichen machen sich dann auf die Suche nach einer Person, die den Beitrag zur Publikationsreife bringt.
«Manchmal hat man ja das Gefühl, die Fakultäten sässen in ihrem Elfeinbeinturm und würden sich hauptsächlich in ihrem akademischen Umfeld bewegen», sagt Katharina Heyden. Das Projekt «Theos» sei eine gute Gelegenheit, Gegensteuer zu geben und mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten. Und gemeinsam an einem Wissensspeicher zu arbeiten, «der sich mit der Zeit zu etwas Ähnlichem wie Wikipedia entwickeln könnte», wie die am Projekt mitbeteiligte Assistentin Maria Lissek ergänzt.
Der Kerker des böhmischen Reformators
Ach übrigens – um doch noch wenigstens eine der eingangs gestellten Fragen zu beantworten: Was hat es mit Schloss Gottlieben für eine kirchengeschichtliche Bewandtnis? In diesem Gemäuer war von März bis Juni 1415 der böhmische Reformator Jan Hus eingekerkert, der zuvor am Konzil von Konstanz zum Ketzer erklärt worden war. Am 6. Juli 1415 erlitt er in Konstanz den Tod durch den Scheiterhaufen. So kam das Schloss zu trauriger Bekanntheit. Es gilt noch heute als wichtiger hussitischer Pilgerort.
Hans Herrmann, reformiert.info, 11. Oktober 2018
In Wort und Bild nach Schätzen graben