Der Baselbieter Dichterpfarrer Jonas Breiten-stein (1828–1877), wegen seiner Volksnähe auch als «Baselbieter Gotthelf» bezeichnet, ist der erste bedeutende Baselbieter Mundartdichter. Breitenstein kam in Ziefen zur Welt. Er hatte daher von frühester Jugend an Einblick in das bäuerliche Leben auf dem Land, aber auch in die industrielle Posamenterei. In Heimarbeit woben die Frauen in den Baselbieter Dörfern die kostbaren Basler Seidenbänder. Breitenstein studierte Theo-logie in Basel und in Göttingen. Von 1852 bis 1870 amtete er als erster Baselbieter Pfarrer auf St. Margarethen in Binningen. Neben seiner Arbeit als Seelsorger gründete er den örtlichen Frauenverein und eine Kleinkinderschule. Er engagierte sich in der Armen-für-sorge und war ab 1870 erster Sekretär der neu geschaffenen Freiwilligen Armenpflege in Basel. Sein schriftstellerisches Werk stammt hauptsächlich aus der Zeit, als er Pfarrer in Binningen war.
Vom Nachlass zur Gesamtausgabe
Irgendwann gerieten Breitenstein und sein Werk in Vergessenheit. Sein Nachlass schlummerte im Dichter- und Stadtmuseum, bis man ihn vor einigen Jahren hervorholte und aufarbeitete. Unter der Leitung des Museums in Liestal und des Ortsmuseums Binningen erschien daraufhin Breitensteins Gesamtwerk in einer Neuausgabe. Den Abschluss bildete Ende 2018 der Briefband. Diese Neuerscheinungen haben das Interesse am Dichterpfarrer wieder geweckt.
Nun widmet das Dichter- und Stadtmuseum Liestal ihm und seinem Vorbild Johann Peter Hebel eine Sonderausstellung. Und das Binninger Ortsmuseum würdigt ihn zusammen mit seinem ältesten Sohn, dem Maler Ernst Breitenstein. Breitensteins Vorbild sei ohne Zweifel Johann Peter Hebel mit den Alemannischen Gedichten gewesen, schreibt die Basler Autorin Helen Liebendörfer in ihrer Besprechung des Briefbandes: «Er kennt Hebels Gedichte auswendig, und so fliessen immer wieder einzelne Wendungen in seine Werke ein. Zudem sind seine Gedichte oft in Hexameter abgefasst, so wie es auch Hebel zu tun pflegte.» So etwa die Hexameter-Idylle «S’ Vreneli us der Bluemmatt». Sie spielt zur Zeit der Wirren um die Verfassungsrevision in den frühen 1860er-Jahren. Breitenstein baut die politischen Ereignisse in eine bewegende, humorvoll-beschauliche Liebesgeschichte ein. In der Erzählung «Die Baselfahrt» schildert er lebensnah, wie die heimwerkenden Posamenterinnen die fertige Ware im Botenwagen nach Basel liefern.
Was den Vergleich mit Gotthelf angeht, meint Helen Liebendörfer: «Die liebevollen und detailgetreuen Schilderungen des Baselbieter Lebens erinnern an Gotthelf, vor allem auch durch das Einstreuen von Dialektwörtern.» Breitensteins Dorfgeschichten kämen jedoch «nicht mit so starken, wuchtigen Worten» daher wie bei Gotthelf. Das Anliegen, «Ehrlichkeit, Redlichkeit, gegenseitigen Respekt, Treue und Zuverlässigkeit zu vermitteln», teile Breitenstein mit Gotthelf und mit Johann Peter Hebel.
Karin Müller, Januar 2020
Jonas Breitenstein: Pionier der Mundartdichtung