Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug
Kirchenrat

Kampfwahl um das Kirchenratspräsidium Baselland

von Daniel Stehula/ref.ch
min
21.01.2025
Die reformierte Kirche Baselland braucht eine neue Person im Kirchenratspräsidium. Zur Wahl am 28. Januar stellen sich eine sozial engagierte Pfarrerin und ein konservativer Pfarrer mit freikirchlichen Berührungspunkten.

Christoph Herrmann, Kirchenratspräsident der Reformierten Kirche Baselland, gibt sein Amt im Sommer 2025 ab. Über seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger wird Ende des Monats entschieden.

Zur Wahl steht Regine Kokontis, Pfarrerin in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Laufental. Zudem hat sich auch Michael Freiburghaus als Kandidat gemeldet, wie das Synodepräsidium auf Nachfrage von ref.ch erklärt hat. Freiburghaus ist Pfarrer in Leutwil-Dürrenäsch und sagt, er trete auch «auf starken Wunsch der Synode nach einer Auswahlmöglichkeit» an.

Auf Anfrage von ref.ch haben Kokontis und Freiburghaus unabhängig voneinander einen Fragenkatalog schriftlich beantwortet.

 

Was hat Sie dazu bewogen, für das Kirchenratspräsidium zu kandidieren?

Regine Kokontis: Die Freude und das Vertrauen, dass unsere Landeskirche in der Gesellschaft Gutes ermöglichen und mitbewirken kann. In den über zwanzig Jahren im Pfarramt habe ich erlebt, dass ich auf verschiedenen Ebenen, operativen und strategischen, wirksam sein kann. Ich bin nun bereit, den Schwerpunkt meines Einsatzes aus der Gemeindearbeit auf die landeskirchliche Ebene zu verlegen.

Michael Freiburghaus: Meine tiefe Liebe zu Menschen und Gott bewog mich zur Kandidatur. Ich forsche zur Zukunft der Kirche und möchte sie innovativ weiterentwickeln, weil ich ein Brückenbauer zwischen Kirchgemeinde-Aufbau-Modellen und der Praxis bin. An fünf Universitäten habe ich Theologie studiert und in Dorf-, Agglomerations- und Stadtkirchgemeinden Erfahrungen gesammelt. Als Offizier lernte ich, Aufträge effizient zu erledigen. Die Kirchenpolitik lernte ich als junger Aargauer Synodaler kennen. Seit 2021 wirke ich bei der Kirchenreform 2026/2030 mit.

 

Michael Freiburghaus, Jahrgang 1986, hat an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH) sowie in Leuven Theologie studiert und anschliessend in Zürich und Bern. Seit 2015 ist er Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Leutwil-Dürrenäsch AG. Freiburghaus ist Ausbildungspfarrer und Armeeseelsorger. Von 2015 bis 2022 war er Präsident der Schweizerischen Traktatmission. Diese gibt die «Christlichen Schriften» heraus, die von Personen aus Landes- und Freikirchen verfasst werden. Freiburghaus ist ausserdem Präsident der Stiftung «Zukunft CH», die «eine schleichende Einführung der Scharia verhindern, zukunftstragende Werte vermitteln und die Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft stärken» will. (dst)

 

Welche Erwartungen haben Sie an das Amt?

Kokontis: Das Amt wird mich einerseits mit neuen Aufgabenbereichen herausfordern, andererseits wird es mich auch zentrieren, da ich in allem Neuen umso stärker das sorgfältige, respektvolle und kooperative Tätigsein pflegen will.

Freiburghaus: Ich bin ein Motivator. Die Kirchgemeinden unterstütze ich bei der Bewältigung der gravierendsten gesellschaftlichen Herausforderungen: Einsamkeit, Sucht und Hoffnungslosigkeit. Die Burnoutprävention kirchlicher Mitarbeitenden will ich fördern sowie die freiwillige Kirchenpflege durch die Stärkung der Dekanate entlasten.

 

Regine Kokontis, Jahrgang 1972, ist Ausbildungspfarrerin, Mentorin für Laienpredigerinnen und -prediger in Ausbildung, Praxistagleiterin Gottesdienst, Fachexpertin in Gemeindeentwicklung und Präsidentin des Vereins LaufeHuus (Notschlafstelle). Sie begleitet eine Sozialdiakonin in Ausbildung und unterstützt die Kirchenpflege in der Personal-Begleitung. (dst)

 

Welche Themen werden Sie als Kirchenratspräsidentin oder Kirchenratspräsident priorisieren?

Kokontis: Es ist mir ein grosses Anliegen, dass die Landeskirche in der Gesamtgesellschaft als hilfreiche, effiziente Institution wirkt. Mit unserer neuen Gesetzgebung erhalten Teambildungen mit Personen aus verschiedenen Berufen, die diakonische Ausrichtung und das erfrischende Ringen für heute sinnvolle theologische Narrative mehr Raum.  Da will ich unterstützen und mitleiten, damit sich eine freie, ehrliche Gesprächs- und Handlungskultur verwurzelt und entfaltet.

Freiburghaus: Mangel an Personal, Mitgliedern und Image: Diesen drei Mängeln halte ich hoffnungsvoll meine Glaubensfreude entgegen! Den Personalmangel überwinden wir mit gezielten Schnuppertagen für Jugendliche und einer intensiven Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen. Neue Mitglieder gewinnen wir durch Evangelisation, Diakonie und Seelsorge, auch in Kunst und Kultur. Der ramponierte Ruf der Kirche in der Öffentlichkeit lässt sich durch persönliche Integrität wiederherstellen.

Von welchen Erfahrungen aus dem Pfarramt werden Sie profitieren?

Kokontis: Dass sich das Hinhören lohnt. Können Ideen oder Anliegen frei geäussert und durch Nachfragen und Vernetzung zu tragenden Projekten entwickelt werden, erfahren Menschen neu Kraft und Lebensfreude. Mit dem Wort «Gott» im täglichen Gebrauch – ausgesprochen oder in Gedanken – legt sich eine heilsame Relativierung über das Geschehen. Diese befreit zu frischem Mut, das Mögliche zu tun. Die Erzählungen von und über Jesus bestärken mich darin. Das Pfarramt setzt mich immer wieder Situationen aus, in denen ich Ohnmacht erfahre, vor allem im Beistehen bei Menschen in extremer Not. Diese auszuhalten und nicht darüber hinweg zu reden oder sich abzuwenden, ist existenziell. Ich denke, dass ich auch im Amt der Kirchenratspräsidentin an Grenzen stossen werde, institutionelle oder menschliche. Diese will ich anerkennen und vertrauen, dass ich in diesen Situationen nicht allein gelassen werde.

Freiburghaus: Seit neuneinhalb Jahren arbeite ich im Pfarramt mit den unterschiedlichsten Menschen und Dorfvereinen zusammen und erreiche gemeinsam mit ihnen Ziele: einen interaktiven Gottesdienst, eine Kunstausstellung oder ein Musical. Dadurch lernte ich, demokratisch zu leiten, auf Augenhöhe klar zu kommunizieren und Kompromisse zu finden.

Die basellandschaftliche Landeskirche ist klein, die Kirchgemeinden stehen unter Druck und müssen fusionieren – wie sieht Ihrer Meinung nach die mittelfristige Zukunft der Landeskirche aus?

Kokontis: Die mittelfristige Zukunft der Landeskirche sehe ich als flexible Institution mit Mitarbeitenden, die wissen, warum und wie sie etwas angehen und welche Strukturen sie dazu brauchen. Die Landeskirche wird durchlässiger werden, zum Beispiel mit nicht-territorialen Gemeinden und den assoziierten Verbindungen zu anderen Organisationen – welche die neue Kirchenordnung ermöglicht – für wirkungsvollere und sich ergänzende Zusammenarbeit. Veränderungen will ich optimistisch begegnen. Sie beinhalten allerdings auch Abschiede und Trauer, aber immer auf dem Grundsatz, dass wir für das Evangelium, die Gute Botschaft, einstehen. Die ist manchmal trotzig, humorvoll und mutig mit Blick auf die Lebensaspekte, welche Raum und Stimme brauchen.

Freiburghaus: Fusionieren oder theologische Profilgemeinden bilden? Es gibt kein Patentrezept, denn die einzelne Kirchgemeinde soll ihre Zukunftsentscheidung selber treffen! Eine Sofortmassnahme besteht darin, ein Förderkonto zu gründen und kreativ Fundraising zu betreiben. Mein langfristiges Ziel lautet, dass aus jeder Kirchgemeinde eine geistliche Familie wird, in der alle Gottes Gegenwart feiern.

Herr Freiburghaus, Sie sind in dieser Auswahl der konservative Kandidat mit einer Nähe zu den Freikirchen. Sehen Sie dies eher als Vorteil oder Hindernis auf dem Weg ins Kirchenratspräsidium?

Freiburghaus: In der Armeeseelsorge pflege ich Kontakte zu verschiedenen christlichen Konfessionen und erlebe diese Farbigkeit als grosse Bereicherung. Auch der reformierte Glaube ist nicht eindimensional, sondern je nach Kirchgemeinde und (Pfarr-)Person zeigen sich ganz unterschiedliche theologische Strömungen, die ich in ihrer Buntheit sehr schätze.

 

Dieser Artikel erschien am 17.1.2024 auf ref.ch

Unsere Empfehlungen

Papst Franziskus und die Frauen

Im Vatikan hat der Papst soeben erstmals eine Frau an die Spitze eines «Ministeriums» gesetzt. Doch weiterhin bleibt die Weihe das Auswahlkriterium für die machtvollen Positionen. Diese bleibt Frauen auch unter Papst Franziskus wohl verwehrt.