Kein Maulkorb für den Kirchenrat
Am 7. April 2018 hatten die Delegierten der Schaffhauser Kirche an einer ganztägigen Aussprachesynode die Frage diskutiert: «Wie nehmen wir als Evangelisch-reformierte Kirche in unserem Kanton politische Verantwortung wahr?» Die Mehrheit sprach sich dafür aus, dass sich die Schaffhauser Kirche am politischen Diskurs beteiligen soll und erachtete den Kirchenrat als das geeignete Gremium für allfällige Stellungnahmen. Eine Kommission stellte der Wintersynode vom 21. November den Antrag, den Kirchenrat mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Dekrets zu beauftragen.
Das Traktandum sorgte für lebhafte Diskussionen an der Wintersynode. Dem vorausgegangen war ein Wirbel um die Stellungnahme des Kirchenrats in den Schaffhauser Nachrichten zur Selbstbestimmungsinitiative. In seiner Stellungnahme unter dem Titel «Menschenrechte achten» schrieb der Kirchenrat, dass Vertrauen stärken, Verträge einhalten und Menschenrechte achten, Tugenden seien, die den christlichen Werten entsprächen, und dass er die Selbstbestimmungsinitiative ablehne. In der Folge publizierten die Schaffhauser Nachrichten: «Die Chefs der Schaffhauser Reformierten nehmen Stellung zu den kommenden Abstimmungen: Sie empfehlen ein Nein zur Selbstbestimmungsinitiative der SVP.» Dies entfesselte eine öffentliche Diskussion im selben Blatt um die Frage, ob sich die Kirche politisch äussern darf oder nicht.
Diskussion anregen
«Wenn sich der Kirchenrat äussert, äussert er sich nicht als Wahrheitsgremium, und ein Positionsbezug wirft immer Ärger auf», nahm Kirchenratspräsident Frieder Tramer an der Synode zu den in der Tageszeitung veröffentlichten Vorwürfen Stellung und fügte an: «Mit einer politischen Stellungnahme wollen wir die Diskussion anregen und nicht den Leuten sagen, was sie stimmen sollen.» Tramer erinnerte an das Wächteramt der Kirche im Sinne einer gesellschaftlichen Verantwortung.Der Antrag gelangte schliesslich zur Abstimmung. Mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung beauftragte die Synode den Kirchenrat, ein Dekret auszuarbeiten und dieses den Kirchgemeinden zur Vernehmlassung einzureichen. Sofern zeitlich möglich, soll der Kirchenrat das Dekret der Wintersynode 2019 zur Abstimmung vorlegen.
Zum Schluss der Wintersynode gab Kirchenratspräsident Frieder Tramer seinen Rücktritt aus dem Kirchenrat bekannt. Er bleibt noch bis zum 30. Juni 2019 im Amt. An der Sommersynode 2019 steht dann die Wahl eines neuen Mitglieds des Kirchenrats auf der Traktandenliste.
Adriana Schneider, 28. November 2018
Kein Maulkorb für den Kirchenrat