Keine Projekte mehr in Indien nach 60 Jahren
Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen in der Schweiz (Heks) unterstützt rund 300 Projekte – in der Schweiz und weltweit in 32 Ländern. In Indien ist die Organisation seit über sechzig Jahren präsent. Nun zieht sie sich aus dem riesigen Land zurück – obwohl die Hilfe zur Selbsthilfe nach eigenen Angaben die Lebensbedingungen von tausenden Menschen verbessert habe.
Indigene Bevölkerungsgruppen wie die Adivasis oder die kastenlosen Dalits hätten heute ein Stück Land, das sie bewirtschaften können, sagt Heks-Mitarbeiter Adrian Scherler. Als Programmbeauftragter für Indien war er im vergangenen März eine Woche in einem Dorf der Adivasis und machte Aufnahmen für einen Film. «Die Menschen dort haben mich tief beeindruckt. Und es zeigte sich klar: nur wenn sie Zugang zu Land haben, können sie selbständig für ihr Leben sorgen und ihre Traditionen leben.»
«Grosser Fortschritt für Kastenlose»
Mit ihren Hilfsprojekten, fährt Scherler fort, hätten sie viele Unterprivilegierte unterstützt, ihr Recht auf Grund und Boden einzufordern. «Landnutzungstitel für rund 200’000 Hektaren haben wir erstellt. Ein grosser Fortschritt für Indigene und Kastenlose, die ohne Hilfe kaum aus der Armutsfalle herauskommen», sagt Scherler. «Nun, nach bald 61 Jahren, haben wir uns quasi überflüssig gemacht. Die indischen Partnerorganisationen können die Projekte zur Landmobilisierung und zur Ausbildung von Fachkräften heute selber weiterführen.»
Indien erlebt derzeit einen kolossalen wirtschaftlichen Aufschwung, von dem aber längst nicht alle profitieren. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Und besonders schlecht schneidet der Vielvölkerstaat mit fast 1,4 Milliarden Einwohnern bei Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheiten ab.
«Einsatz für die Schwächsten extrem erschwert»
Auch die Situation für die Hilfswerke habe sich in den letzten fünf bis sechs Jahren verschlechtert. «Unter der Regierung Narendra Modi ist das Klima rauer geworden», meint Scherler. «Kritik am Staat ist nicht erlaubt und die Berichterstattung wird systematisch kontrolliert. Das erschwert den Einsatz für die Schwächsten nochmal extrem.»
Doch nicht nur deswegen will das Heks die Arbeit in Indien nicht mehr weiterführen. Die Organisation muss auch sparen. Rückläufige Spendeneinnahmen, grössere Konkurrenz und eine schwierige Wirtschaftslage zwingt sie zu Sparmassnahmen. So beendet sie auch die Entwicklungszusammenarbeit mit Moldawien und Simbabwe, 25 Mitarbeitende verlieren ihre Stelle. Der Rückzug aus Indien wurde schon 2015 beschlossen, also noch vor den finanziellen Problemen. Der Entscheid passt aber gut: «Der Ausstieg aus Indien erlaubt nun, andere Programme weiterlaufen zu lassen», bestätigt Adrian Scherler.
Katharina Kilchenmann, reformiert.info, 30. Oktober 2019
Keine Projekte mehr in Indien nach 60 Jahren