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Kurs für Kinder: Tabuthema «letzte Hilfe»

«Kinder sind viel häufiger mit dem Tod konfrontiert, als wir denken»

von Carmen Schirm-Gasser
min
24.10.2024
Eltern wollen ihre Kinder häufig vor dem Thema Sterblichkeit schützen. Doch je früher Kinder begleitet werden, sich diesem Thema anzunähern, desto eher können sie Ängste abbauen und diesen Teil des Lebens akzeptieren.

Über die erste Hilfe wird viel gesprochen, über die letzte hingegen nicht. Das Sterben ist ein Tabuthema in unserer Gesellschaft, obwohl es unserem Alltag sehr nahe ist. Eltern möchten ihre Kinder schützen, sie vor schlechten Gefühlen schonen. «Dabei sind Kinder viel häufiger mit dem Tod konfrontiert, als wir denken», sagt Claudia Henne, Gemeindepfarrerin und Klinikseelsorgerin. «Sie sehen auf dem Schulweg einen toten Vogel, sind durch Medien immer wieder mit Sterblichkeit und Todesfällen konfrontiert, vor allem aber werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor dem Erwachsenenalter einen Verlust in ihrem näheren Umfeld erfahren, sei dies zum Beispiel der Abschied von den Grosseltern oder von anderen nahe stehenden Menschen in ihrem Bekanntenkreis.» Der Tod gehöre zum Leben, sagt Nicole Acklin, Pflegefachfrau Palliative Care. «Je früher Kinder darin begleitet werden, sich diesem Thema anzunähern und Ängste abzubauen, desto eher können sie diesen Teil des Lebens verstehen und akzeptieren.»

Die Kinder lernen in diesem Kurs Strategien kennen, wie man mit Trauer umgeht, dass es ein breites Spektrum an Trauer gibt und wie man Abschied nehmen kann.

Wie man mit Trauer umgehen kann

Nicole Acklin und Claudia Henne sind zertifizierte Kursleiterinnen für Letzte-Hilfe-Kurse für Kinder und Jugendliche. Bislang hatten sie diesen Kurs vorwiegend innerhalb des Religionsunterrichts angeboten. Nun bieten sie zum ersten Mal einen öffentlichen Letzte-Hilfe-Kurs für Kinder von 9 bis 16 Jahren an. Der Kurs soll Berührungsängste mindern und ein erstes Heranführen an das Thema sein – gerade vor dem Hintergrund, dass die meisten Jugendlichen im Laufe der Zeit eine Verlusterfahrung machen werden. «Die Kinder lernen in diesem Kurs, welche Möglichkeiten es gibt, einen Sterbenden zu unterstützen», sagt Claudia Henne. «Sie lernen Strategien kennen, wie man mit Trauer umgeht, dass es ein breites Spektrum an Trauer gibt und wie man Abschied nehmen kann.»

Wir arbeiten mit spielerischen Elementen, bei uns darf auch gelacht werden.

«Auch wenn es ein spezielles Thema ist, herrscht an den Kursen eine angenehme Stimmung und oft eine gewisse Leichtigkeit im Raum vor», ergänzt Nicole Acklin. «Die Kinder gingen unseres Wissens bis jetzt nie mit einem traurigen Gesicht oder niedergeschlagen nach Hause. Wir arbeiten mit spielerischen Elementen, bei uns darf auch gelacht werden.» Ein besonderes Highlight ist für die beiden Leiterinnen zum Beispiel das Spiel mit dem Fallschirmtuch. Die Kinder dürfen sich alle eine Berufskleidung aus dem Spital überziehen und erleben dann anhand des Ballspiels, dass es ganz viel Absprache und Netzwerk benötigt, wenn man Sterbende begleitet.

Die Unsicherheit der Erwachsenen gegenüber dem Sterben überträgt sich häufig auch auf die Kinder. Dabei gehen diese meist viel natürlicher mit diesem Thema um: Sie gehen auf den Sterbenden zu, reden mit ihm, im Gegensatz zu Erwachsenen, die oft nicht wissen, was sie tun sollen. «Wir sagen den Kindern, dass alles erlaubt sei», sagt Claudia Henne. «Sie dürfen der Sterbenden vom Alltag erzählen, von Vergangenem oder von lustigen Anekdoten», sagt Nicole Acklin.

Fragen der Kinder sind vielfältig

Die Fragen der Kinder in diesen Kursen sind vielfältig. Worüber redet man mit jemandem, der sterbenskrank ist? Darf man noch lachen? Was passiert, wenn jemand stirbt, und wie sieht er aus? Nicole Acklin und Claudia Henne beantworten diese Fragen mit vielen Beispielen und Erfahrungen aus ihrem Alltag, was sie beobachtet haben.

Beispielsweise, dass sich beim Sterben die Gesichtszüge verändern, der Mund- und der Nasenbereich, oder dass tote Menschen manchmal auch ein Lächeln im Gesicht haben. Oder die Symbolsprache der Sterbenden. Dass sie jetzt gehen müssen, dass sie keine Zeit mehr haben. Die Kursleiterinnen werden auch gefragt, was nach dem Tod komme. Sie antworten dann ehrlich, dass sie das auch nicht wüssten, da nie jemand zurückgekehrt sei, um davon zu erzählen. Aber natürlich gibt es hoffnungsvolle Bilder und Vorstellungen, die trösten und tragen können, auch davon erzählen die Leiterinnen im Kurs und zeigen einen kindergerechten Kurzfilm dazu. Die eigenen Erfahrungen und Fragen der Kinder werden immer wieder aufgegriffen und – wo es sinnvoll scheint – auch vertieft.

 

Letzter-Hilfe-Kurs für Kinder und Jugendliche

Für 9- bis 12-Jährige: Samstag, 2. November, 13–17 Uhr
Für 13- bis 16-Jährige: Samstag, 9. November, 13–17 Uhr.
Im Steigsaal der Kirchgemeinde Steigkirche, Schaffhausen. Weitere Infos: www.ref-sh.ch

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