Kirche will in der Gesundheitspolitik mitreden
In Engelberg, 1013 Meter über Meer, liegt Schnee, Hochnebel verdeckt die Berge und es ist klamm. Im Alters- und Pflegeheim Erlenhaus jedoch ist es warm und die Anwesenden strahlen vor Freude. In den Aussagen der Beteiligten schwang auch etwas Stolz mit über das, was sie erreicht haben: Die Unterzeichnung des Kooperationsvertrags für die nationale ökumenische Koordinationsstelle Seelsorge im Gesundheitswesen.
Für den Rat der evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz (EKS) nahmen Catherine Berger und Ratspräsidentin Rita Famos teil. Von katholischer Seite waren die Bischöfe Markus Büchel und Felix Gmür anwesend, sowie Davide Pesenti, Generalsekretär der Schweizerischen Bischofskommission (SBK), Urs Brosi, Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ), und RKZ-Präsident Roland Loos.
Die katholischen Vertreter waren auch ausschlaggebend für die Ortswahl: Im nahegelegenen Kloster Engelberg tagte die Bischofskonferenz und das Alters- und Pflegeheim ist ökumenisch ausgerichtet.
Kontroverses Traktandum an EKS-Synode
Vor der Vertragsunterzeichnung sagte EKS-Ratspräsidentin Rita Famos: «Wir sind uns einig, dass das Gewicht der Seelsorge, wie sie vor Ort ausgeübt wird, auf nationaler Basis nicht den entsprechenden Widerhall gefunden hat.» Dies müsse sich ändern. Es solle nicht weiterhin in politischen Gremien über Strategien im Gesundheitswesen oder Fallpauschalen entschieden werden, ohne dass die Kirchen darauf Einfluss nehmen können.
Das Parlament der EKS habe «in gut reformierter Art» über die Koordinationsstelle debattiert (ref.ch berichtete) und schliesslich zugestimmt. Famos dankte den Vertretern von RKZ und SBK für ihre Geduld – auf katholischer Seite verlief die Beschlussfindung auf andere Weise und schneller.
Theologische Unterschiede und Spannungen
Diesen Unterschied thematisierte RKZ-Präsident Roland Loos: «Die Arbeit am Konzept war anspruchsvoller als gedacht.» Die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Kirche seien sich zwar ähnlich, aber Loos sagte: «Sie sind nicht gleich. Es gibt strukturelle und theologische Unterschiede.» Die Zusammenarbeit sei ein starkes Zeichen der Ökumene, aber Loos erwartet, dass die Beteiligten «auch Differenzen aushalten» werden müssen.
Auch Urs Brosi von der RKZ gestand, dass er sich die Arbeit einfacher vorgestellt habe. «Die kirchlichen Denkweisen unterscheiden sich und theologisch teilen nicht alle dieselbe Ansicht von Spiritual Care», sagte er. Doch um der Sache willen seien alle bereit, die Spannungen auszuhalten. Und Geld in die Hand zu nehmen: Die jährlichen Kosten von 180'000 Franken für die Koordinationsstelle teilen sich Reformierte und Katholiken gemäss des Verhältnisses der Kirchenmitglieder 40 zu 60 Prozent. 72'000 Franken zahlt die EKS, SBK und RKZ bringen 108'000 Franken auf.
Das heisse aber nicht, dass die Reformierten überstimmt werden könnten, betonte EKS-Rätin Catherine Berger. Drei reformierten Gesandten stünden je eineinhalb Sitze von SBK und RKZ gegenüber. «Wir werden uns für einen Entscheid gegenseitig überzeugen müssen», sagte sie.
Noch offen ist, wer die Stelle leiten wird. Am Rand der Vertragsunterzeichnung war zu erfahren, welches Profil sich die Verantwortlichen für die Besetzung der 80-Prozentstelle vorstellen. Die Leiterin oder der Leiter der nationalen Koordinationsstelle soll Erfahrung in der Spitalseelsorge mitbringen. Die Person soll organisatorisch stark sein, Menschen miteinander vernetzen können und bei politischen Parteien lobbyieren.
Dieser Artikel wurde zuerst auf ref.ch veröffentlicht.
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