Mit einer Demonstration und verschiedenen Veranstaltungen machten queere Menschen Anfang September auf ihre Anliegen aufmerksam. Unterstützt wurden sie von der katholischen, reformierten und christkatholischen Kirche, die neben anderen Aktivitäten auch zu einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen hatten. So war an jenem Sonntag, dem 4. September, für einmal alles anders in der Peterskapelle. Am Eingang standen Türsteher, die für Sicherheit bedacht waren. Wird eine Messe in einer katholischen Kirche üblicherweise am Altar gefeiert, wurde sie an jenem Sonntag auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche abgehalten. Für diesen Zweck war die Bestuhlung der Kirche um 180 Grad gedreht worden. So blickten die Besucher nicht auf den Altar, sondern die Farben der Transcommunity, vor der die drei Seelsorger den ökumenischen Gottesdienst feierten: Vroni Stähli, reformierte Pfarrerin, Meinrad Furrer, römisch-katholischer Seelsorger und Adrian Suter, christkatholischer Pfarrer.
Geschützter Rahmen
Die Besucher waren zahlreich erschienen. Rund 150 Menschen sassen auf den Bänken, Männer, Frauen, eine Familie mit Kind, jüngere Menschen neben hoch betagten. Meinrad Furrer machte darauf aufmerksam, dass im geschützten Rahmen gefeiert werde. Das Zentralschweizer Fernsehen Tele 1, das vor Ort war, sei angewiesen worden, Personen nur von hinten zu filmen. Die Türsteher seien vor Ort, um zu vermeiden, dass sich das gleiche wiederholen könnte, wie im Juni dieses Jahres in Zürich. Damals hatte eine Gruppe junger Fanatiker den Pride-Gottesdienst in Zürich gestürmt. Zwar konnten die Handvoll Menschen umgehend aus der Kirche entfernt werden, doch das Entsetzen bei den Besuchern blieb. Ebenfalls unter Sicherheitsvorkehrungen war der letzte Pride-Gottesdienst in Luzern gestanden, der 2005 stattgefunden hatte. Damals hatte die erzkonservative Piusbruderschaft im Vorfeld zu einer Gegendemonstration aufgerufen, wenn auch im Anschluss nichts Dramatisches passierte, ausser dass Priester und junge Männer in Zivil auf Knien während des Umzugs beteten.
Solidarität, Diversität, Inklusion
Ist der ökumenische Pride-Gottesdienst in Zürich seit Jahren bekannt und akzeptiert, hat er in der Innerschweiz Seltenheitswert. Meinrad Furrer, er gestaltete jahrelang den Pride-Gottesdienst in Zürich mit, initiierte diesen in Luzern, unter anderem auch deshalb, da er kürzlich die Stelle als Leiter des Teams der Peterskapelle angetreten hat. So fragte er bei der Reformierten Kirche Kanton Luzern an, ob sich diese bei einem Pride-Umzug mitengagieren möchte. «Da wir uns für Solidarität, Diversität und Inklusion einsetzen, haben wir zugesagt», sagt Lilian Bachmann, Präsidentin der Reformierten Kirche des Kantons Luzern. «Wir führen den Dialog direkt mit queeren Menschen und nicht über sie. Alle sind Teil unserer Gemeinschaft. Kirche ist ein Ort, wo Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen den Dialog zu Sinn- und Lebensfragen führen können. Wir sind dabei noch einer der wenigen Orte in unserer zusehends spezialisierten Gesellschaft, wo sich Menschen vielfältig begegnen können.»
Zeichen der Solidarität
Lilian Bachmann besuchte ebenfalls den Gottesdienst. Gemeinsam mit ihren Zwillingen, 15, setzte sie damit ein starkes Zeichen der Solidarität. Seitens der katholischen und christkatholischen Kirche waren keine offiziellen Vertreter anwesend. «Der Gottesdienst wird von der Katholischen Kirche Luzern finanziell und ideell unterstützt, es ist daher eine Öffnung zu sehen», kommentiert Meinrad Furrer diesen Umstand. Er sparte jedoch nicht mit Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit queeren Menschen. «Dass wir hier einen Gottesdienst feiern dürfen, ist noch immer eine grosse Sache», begann er die Feier. Jahrhunderte lang seien queere Menschen verfolgt worden. Es sei an der Zeit, heilsame Zeichen zu setzen, auch von der katholischen Kirche her. Leider sei die offizielle Lehrmeinung noch immer, dass das Leben queerer Menschen zu verurteilen sei. «Ich kann nur sagen, dass mir diese Einstellung leidtut und ich diese Position nicht teile.»
«Dass wir zusammen feiern, gibt Zuversicht und Hoffnung» betonte die reformierte Pfarrerin Vroni Stähli. Sie kommentierte die Geschichte eines besonders «queeren» Menschen aus der Bibel, eine der ersten Personen, die getauft wurde. Getauft werden heisse, man gehöre zu der Gemeinschaft, man müsse nicht jemand sein, man müsse sich nicht beweisen, oder zuerst etwas bekennen, um in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. «In der Kirche ist man richtig, so wie man ist». Adrian Suter, christkatholischer Pfarrer, lud die Anwesenden zu einer geführten Meditation ein. «Mit jedem Einatmen öffnen wir uns für neue Erfahrungen», hob er an. Worte, die stellvertretend standen dafür, wie sich queere Menschen wünschen, dass man auf sie zugeht.
Carmen Schirm, kirchenbote-online
Kirchen unterstützten Zentralschweizer Pride