Wenn Martin Vogler und Annalena Guptara über die Zukunft der Kirchgemeinde Olten sprechen, dann sieht diese düster aus: weniger Geld, weniger Mitglieder, weniger Stellen. Auch der neue Finanzausgleich hat Olten getroffen. Er liegt jährlich 300'000 Franken tiefer als bisher. Die missliche Lage habe gesellschaftliche und demografische Gründe, sagt Martin Vogler. Der Schwerpunkt der reformierten Bevölkerung liege bei Senioren und hochaltrigen Menschen, und weniger junge Menschen rückten nach. Dazu kämen die Kirchenaustritte. «All dies wirkt sich negativ auf die Steuereinnahmen aus.»
Der Kirchgemeinderat beschloss, die Schwierigkeiten anzugehen, und lancierte das Projekt «Zukunftskirche Olten – finanziell gesund, einladend, innovativ». Der Rat lud die Gemeindemitglieder und Angestellten ein, eine Projektgruppe zu bilden. Martin Vogler leitet die «Zukunftskirche Olten», Annalena Guptara ist das jüngste Mitglied der Arbeitsgruppe. Vogler ist es wichtig, dass das Projekt nicht zur Sparübung verkommt. «Den Prozess hätte man auch sonst einleiten müssen», ist Martin Vogler überzeugt. «Die Frage nach der Relevanz der Kirchen in der Gesellschaft stellt sich schon lange.» «Und nach dem Auftrag der Kirche in einer Gesellschaft, die sich total verändert hat», fügt Annalena Guptara hinzu.
In der Projektgruppe arbeiten zwölf Personen mit, Angestellte und Freiwillige, Alte und Junge, Frauen und Männer. Am 15. Januar findet in Trimbach eine Zukunftswerkstatt statt, zu der alle Interessierten eingeladen sind – in der grossen Honung, dass diese wegen der Pandemie durchgeführt werden kann, so Vogler.
Blick zurück in die Geschichte
In einem ersten Schritt blickt die Zukunftswerkstatt zurück in die Vergangenheit. «Wir wollen wissen, woher wir kommen und was die Marchsteine in der Geschichte Oltens sind», sagt Annalena Guptara. «Und wir fragen danach, was die Leute mit der Kirchgemeinde verbindet, hier wurden manche getauft oder haben geheiratet.» Olten habe eine besondere reformierte Geschichte, erzählt Annalena Guptara.
Im 16. Jahrhundert verbreitete sich der neue Glaube aus den reformierten Zentren Zürich und Bern rasch in der Region Olten und Solothurn. Nach der Niederlage von Kappel war die Sache der Evangelischen verloren, die Bevölkerung musste zur Beichte und Messe zurückkehren. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts siedelten im Zuge der Industrialisierung Reformierte im Gebiet des heutigen Kantons Solothurn.
Der Ingenieur Niklaus Riggenbach gründete die erste reformierte Kirche in Olten. In den umliegenden Dörfern begann das reformierte Leben in Wirtshaussälen und Schulzimmern.
Dem Neuen eine Chance geben
In einem zweiten Schritt untersucht man, wie sich die Kirchgemeinde Olten verändert hat, und wird dann die Schwerpunkte für die künftige Kirchgemeinde festlegen. Der Prozess bedeute auch, Abschied von vertrauten Traditionen zu nehmen und dem Neuen eine Chance zu geben, sagt Martin Vogler. Es gehe auch um konkrete Fragen, etwa wie viele Gebäude es künftig braucht oder wo die Schwerpunkte bei den weniger werdenden Stellen gelegt werden. Die Kirchgemeinde Olten verfügt über acht kirchliche Zentren. Mitte Februar will die Arbeitsgruppe dem Kirchenrat die Vorschläge für die Planung der zukünftigen Gestalt der Kirchgemeinde Olten unterbreiten. Im Juni wird die Kirchgemeindeversammlung konkrete Beschlüsse fassen und im kommenden November über das Budget 23 abstimmen. «Dieses Budget wird und muss anders aussehen als das jetzige», hofft Martin Vogler. «Dies wird nur möglich, wenn der bisherige partizipative Weg für die nächsten Schritte fortgesetzt wird.»
Die Arbeitsgruppe hat in einem Bericht schon die wichtigsten Aspekte der künftigen Kirche festgehalten. An erster Stelle steht der Bezug zu Gott: «Wir als Gemeinde sollen auf Gott hören und ihn nach seinem Willen fragen. Dabei ist das Gebet von hoher Bedeutung.» Als zentrale Handlungsfelder zählen neben der Verkündigung und der Seelsorge der Dienst am Nächsten und die «Weltverantwortung». Der Bericht betont, dass die Kirche keine Konsum oder Dienstleistungskirche sein will, sondern eine Beteiligungskirche. Ein grosses Anliegen sei zudem der Kontakt zu kirchenfernen Menschen.
Freiwillige dringend gesucht
Gerade mit dem Erreichen der Kirchenfernen hat sich die Zukunftswerkstatt ein hohes Ziel gesetzt: «Rund 80 Prozent der Kirchenmitglieder zahlen treu ihre Kirchensteuer und besuchen die Kirchen an Abdankungen, Seniorennachmittagen und Weihnachten. Ansonsten tauchen sie kaum in der Kirche auf», sagt Martin Vogler. Es sei schwierig, Leute zu finden, die sich für eine Aufgabe verpflichten wollen, räumt Annalena Guptara ein. «Für einzelne Ämter werden Freiwillige händeringend gesucht.»
Guptara hofft auf einen Kulturwechsel, so dass Olten weniger gremienlastig wird. Erfolg verspricht sie sich von der Förderung von Freiwilligen. Sie kennt solche Konzepte aus den Freikirchen. Die Kirche müsste mit Angeboten stärker auf die Bedürfnisse der Leute eingehen. «Kirche sein in unserer Gesellschaft bedeutet auch den Dialog und Beziehungen mit Menschen anderer Überzeugungen und anderen Religionen pflegen.»
Martin Vogler erkennt auch heute viele gute Ansätze in der Kirche: Die Kirche leiste immer noch viel, gerade im sozialen Bereich. Das habe sich in der Pandemie gezeigt: Der Bedarf nach seelsorgerlicher Begleitung habe zugenommen, ebenso die Besucherzahl der Gottesdienste in den Pflegeheimen oder bei den Livestreams.
Tilmann Zuber
Zukunftswerkstatt 2022, die Chance, unsere Kirche zu gestalten, finanziell gesund – einladend – innovativ, Samstag, 15. Januar, 9 bis 16 Uhr, in der Johanneskirche Trimbach, Anmeldungen bei ursula.stampfli@ref-olten.ch, 062 212 16 26, Informationen siehe www.ref-olten.ch
Kirchgemeinde Olten – auf der Suche nach der Zukunft