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Heiko Rüter: Spitalseelsorger

Krank und trotzdem glücklich

von Tilmann Zuber
min
22.02.2024
Seit Jahresanfang ist Heiko Rüter Seelsorger im Kantonsspital Olten. Aus den Begegnungen mit den Patienten lernt er viel über das Leben. Auch Überraschendes.

Interviewtermin im Kantonsspital Olten. Vorne in der Kantine sitzen ein paar junge Assistenzärztinnen, die sich nach der langen Schicht treffen und sich müde an ihren Kaffeetassen festhalten. Hinten im Raum ist es leer und ruhig. Der richtige Ort für ein Gespräch mit Heiko Rüter. Seit Anfang Jahr arbeitet der Seelsorger im Kantonsspital Olten.

Zuvor war er 15 Jahre lang Seelsorger im Kantonsspital Baden: 380 Betten, über 21000 Patienten pro Jahr und 3300 Mitarbeitende. Hier im Kantonsspital Olten ist es mit rund 220 Betten kleiner und überschau­barer. Rüter reizt die Arbeit mit Menschen, die mit Kirche nichts am Hut haben. Und mit Menschen in Kontakt zu kommen, die sich in einer schwierigen Situation befänden, erzählt er.

Von Norddeutschland ins Glarnerland

Rüters geschliffenes Hochdeutsch verrät, dass er aus Norddeutschland stammt, genauer aus der Gegend zwischen Bremen und Hannover, wie er erzählt. Während seines Theologiestudiums kam Heiko Rüter nach Bern und lernte die reformierte Kirche der Schweiz kennen und lieben. Nach der Ordination verschlug es ihn, der in seiner Jugend Erhebungen nur vom Weserdeich und von den Nordsee­dünen kannte, für zehn Jahre nach Luchsingen ins Glarner Hinterland. Die Gegend sei sehr ländlich gewesen, die Menschen seien bodenständig und im Tal verwurzelt, erzählt Rüter. Später habe ihn jemand in einer Weiterbildung darauf aufmerksam gemacht, dass er mit seiner behutsamen Art, sich Menschen zuzuwenden, sicher ein guter Spitalseelsorger wäre. Das war für Rüter der Startschuss für einen Neuanfang: Aus dem Gemeindepfarrer wurde ein Spitalseelsorger.

Heiko Rüter hat diesen Wechsel nie bereut. Seine Aufgabe als Krankenhausseelsorger sieht der 56-Jährige nicht in erster Linie in Predigt und Verkündigung. «Die Verkündigung geschieht am Krankenbett durch die Zuwendung und die Wertschätzung der Menschen in ihrer aktuellen Situation und ihrer Lebensgeschichte.» Dazu gehörten auch die dunklen Fäden, die das Leben durchziehen. «Zum Leben gehören Kanten und Ecken, auch wenn diese manchmal wehtun. Wenn man erkrankt, wird einem dies bewusster.»

Manchmal bitten die Patienten Heiko Rüter, mit ihnen zu beten. Ein anderes Mal kommt das Gespräch auf das Leben nach dem Tod zu sprechen. Rüter fragt dann zurück, was sie sich denn vorstellten. Und knüpft daran an. Rüter selbst hat wenig konkrete Vorstellungen vom Jenseits. Er vertraut darauf, nach dem Tod bei Gott gut aufgehoben zu sein, und beschreibt dies als ein versöhntes Miteinander. Mit einem Jüngsten Gericht oder gar einer Hölle rechnet Rüter nicht. Dann zitiert er den Theologen Karl Barth, der sagte, er glaube an die Hölle, aber sie sei leer.

Perspektive der Hoffnung

Tod, Krankheit und Trauer. Wo bleibt da die Hoffnung? Rüter bringt seine eigene Zuversicht mit ans Krankenbett. Er ist überzeugt, dass der Mensch in all dem Schweren, das ihm widerfährt, von Gott getragen wird. «Oder, wenn man es nicht religiös ausdrücken will, vom Leben gehalten», fügt er hinzu. Es helfe, wenn er die scheinbar hoffnungslose Situation aus der Perspektive der Hoffnung betrachte. «Die Patienten fühlen sich mit all ihren Schwierigkeiten besser aufgehoben. Das Leben wird verortet.» Manchmal erlebten sich die Patienten verloren, hilf- und wertlos. Sie hadern mit der Welt und verzweifeln an ihrer Krankheit. «Wenn Sie so wertlos wären», antwortete Rüter einmal einem Patienten, «dann würde Ihre Frau nicht hier an Ihrem Bett sitzen». Er öffnete damit den Blick dafür, wie wertvoll er trotz aller Gebrechlichkeit ist.

Doch Heiko Rüter will auch über die schönen Momente sprechen. Die gebe es auch. Zum Beispiel, wenn ein Patient ihn freudestrahlend anschaut und sagt, dass die Operation gut verlaufen sei. Oder wenn Familien in der schwierigen Situation enger zusammenrücken. Manchmal spielen all die Konflikte, die die Familie getrennt haben, dann keine Rolle mehr. «Wenn der Tod naht, werden Beziehungen oft ganz wichtig.» Immer wieder erlebe er, wie Menschen dann so innig verbunden sind, wie sie es kaum je waren. Und was hat der Spitalseelsorger aus den vielen Gesprächen am Bett gelernt? Heiko Rüter überlegt kurz und sagt: «Das Wichtigste im Leben ist nicht Gesundheit, wie oft gesagt wird, sondern Zufriedenheit und Glücklichsein.» Man könne gesund unglücklich sein, aber auch krank und trotzdem glücklich.

Das Handy klingelt. Heiko Rüter nimmt ab und steht auf. Ein Notfall? «Nein», sagt Rüter und lacht, «es sind die Kolleginnen, die fragen, ob ich auf einen Kaffee vorbeikomme. Auch das gehört zum Alltag eines Spitalseel­sorgers.»

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