Kunsthistoriker trifft auf Theologe
Rund 30 Interessierte hatten sich im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen eingefunden. Der Kunsthistoriker und Kurator im Museum zu Allerheiligen, Andreas Rüfenacht, sowie der Theologe Adrian Berger hatten zu einer Führung unter dem Titel «Kunst und Religion im Dialog» eingeladen. Es war die zweite Führung in dieser Reihe, die sie in losen Abständen anbieten – besucht von einem bunt gemischten Publikum, das interessiert und begeistert die Ausführungen, Diskurse und teils auch Dispute der beiden Vortragenden verfolgte.
Die Idee ist nicht neu. Ähnliche Führungen zum Verhältnis von Kunst und Religion gibt es mittlerweile auch in Zürich und Bern. Adrian Berger, der bereits zu seiner Kanti-Zeit ein grosses Interesse für Kunst entwickelt hatte, hat Kunst und Kultur schon ein weiteres Mal verknüpft: Er veranstaltete sogenannte Kunst-Gottesdienste.
Tipps zur Bildbetrachtung
Gemeinsam mit den Besuchern versammelte man sich vor dem ersten Bild, einer Landschaftsmalerei des Schweizer Malers Gustav Gamper. Im Vorfeld hatten die Vortragenden sechs Bilder ausgewählt, die sie zum Thema «Natur und Schöpfung» besonders spannend und für lebhafte Diskussionen geeignet fanden. Wer Bedarf hatte, durfte sich setzen, die Anwesenden liessen das Werk auf sich wirken, während Andreas Rüfenacht jeweils eine kurze kunsthistorische Einführung zu dem Werk gab.
Man erfuhr, dass das Werk kein abstraktes Bild sei, zumal Gegenstände sehr gut zu identifizieren seien. Es sei ein gegenständliches Bild. Aufgrund ihrer Zweidimensionalität seien Bilder immer abstrakt, bestehend aus Form, Farben und Bildträger, in dem Sinn, dass sie nicht die reale Landschaft abbildeten, ergänzte Adrian Berger. Damit sei jedes Bild eine Form von Abstraktion.
Ein Tipp zur Bildbetrachtung folgte. Es empfehle sich, den Abstand zum Werk zu verändern, abwechselnd Nähe und Distanz zu suchen, so Andreas Rüfenacht. Woraufhin einige Besucher näher zum Bild herantraten und dadurch erkannten, dass es mehr Bewegung im Bild gab als zuerst ersichtlich. «Da hat sich ein Vogelschwarm versteckt», wies Adrian Berger hin. Dieses Detail war selbst ihm entgangen.
Schöpfung und Natur im Zentrum
Ein spannender Dialog mit den Besuchern entstand, als Adrian Berger fragte: «Welche Ideen und Empfindungen hatte der Künstler beim Malen dieses Bildes?» Frei nach dem Motto: Niemand muss, doch wer will, der darf mitreden, warf eine Zuhörerin ein, dass sie das Bild spontan an den Vulkan in Pompey erinnere. Eine andere Besucherin verglich das Werk mit dem schlafenden Vulkan Fuji, dem höchsten Berg Japans. «Die japanische Kunst spielte zur damaligen Zeit für Schweizer Künstler tatsächlich eine wichtige Rolle», erklärte Andreas Rüfenacht. «Es ging den Künstlern nicht nur darum, die Natur darzustellen, es war vielmehr eine vergeistigte Kunst.» Überhaupt sei das Motiv des Vulkans zur damaligen Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv für Künstler gewesen. Der Vesuv sei mehrere Male ausgebrochen, weshalb es einen richtiggehenden Vesuv-Tourimus von Künstlern gegeben habe.
«Was ist der Unterschied zwischen Natur und Schöpfung?», warf Adrian Berger die Frage auf. «Die Schöpfung zeichnet sich im Unterschied zur Natur dadurch aus, dass es einen Schöpfer gibt, die sie durch sein Wort erschaffen hat. Gott sprach, und was er sagte, war dann da. Dadurch, dass Gott mit seinen Worten eine Struktur geschaffen hat, ist es möglich, dass man von der Landschaft, von der Schöpfung angesprochen wird.» Mit dem Ergebnis: «In der Kunst ist eine geistige Sprache enthalten, die wir wahrnehmen, darauf reagieren wir, aber jeder ganz anders.»
Eigene Interpretation der Welt
Unterschiede wurden ebenso aufgezeigt wie Schnittmengen. «Kunst und Religion haben ihre eigene Interpretation der Welt, ebenso unterscheiden sie sich in der Art der Methodik», so Adrian Berger. Theologie sei nicht in erster Linie verwandt mit moderner Naturwissenschaft, viel eher mit der Kunst, mit der es eine grosse Schnittmenge gäbe: das Geistige in der Kunst und die Geistesgegenwart Gottes in der Welt. In der Kirchengeschichte jedoch hätten sich Kunst und Theologie nicht immer gut verstanden. Bildende Kunst verwendet als Sprache andere Mittel wie Farben, Formen und Licht. Das
seien andere Gestaltungsmittel als das Wort, die Sprache.
Zur Reformationszeit standen Bilder und die Verkündigung durch das Wort in Konkurrenz. Man befürchtete, Bilder könnten für Menschen attraktiver sein als langweilige Predigten. Heutzutage stehen Kunst und Religion in einem entspannten Verhältnis zueinander und ergeben, wie diese Spezialführung zeigte, spannende Dialoge.
Kunsthistoriker trifft auf Theologe