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Mehr als ein Kinderbuch

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27.02.2022
«Die Kreuzblume» ist ein besonderes Buch des Künstlers und ehemaligen Bauforschers Stephan Jon Tramèr: Wissenschaftlich korrekte Zeichnungen des Basler Münsters illustrieren die im ausgehenden 15. Jahrhundert handelnde Geschichte über einen jungen Steinmetz.

«Die Tramèrs stammen ursprünglich aus dem bündnerischen Santa Maria im Val Müstair», erklärt Stephan Jon Tramèr im Gespräch. Seine Vorfahren waren meist Ärzte. Das künstlerische Element kam erst dank den Genen seiner Basler Grossmutter hinzu. Während 35 Jahren bis zu seiner Pensionierung im September 2021 arbeitete Tramèr als Bauforscher für die Basler Denkmalpflege. 1998 schuf er im Auftrag des Museums Kleines Klingental Basel ein Modell des Kleinbasler Dominikanerinnenklosters Klingental, das seither eine Hauptattraktion des Museums ist und im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich zu sehen war.

Oft habe er während seiner beruflichen Laufbahn den Leuten erklären müssen, was ein Bauforscher genau macht und welchen Wert die wissenschaftlich- analytische Beschäftigung mit Bauwerken darstellt. «Praktische Denkmalpflege wurzelt in einer kulturphilosophischen Haltung. Die Mitarbeitenden der Denkmalpflege sind die Anwälte ältester und jüngerer historischer Bausubstanz. Sie sorgen in dieser Funktion für die Erhaltung der baulichen Artenvielfalt», ist Stephan Jon Tramèr noch heute überzeugt.

Turmbau zu Basel
In seiner Zweitberufung war und ist Tramèr Zeichner und Maler. In seiner Zeit als Bauforscher entwickelte er ein besonderes Verhältnis zum Basler Münster. Zwischen 2017 und 2021 entstand sein neuestes Werk. Das im Herbst 2021 erschienene Buch «Die Kreuzblume» führt in bester Manier Lesen und Schauen zusammen. 45 neu geschaffene, wissenschaftlich korrekte Zeichnungen illustrieren eine Geschichte, die im Zeitraum zwischen 1488 und 1500 spielt. Hauptfigur ist der junge Steinmetz Till Seipardt aus Strassburg, der ans Basler Münster kommt, um unter der Leitung des Werkmeisters Hans Nussdorf den Martinsturm fertigzustellen. Weil der leitende Polier eifersüchtig auf Tills hervorragende Arbeit ist, lässt er sich zu einer Tat hinreissen, die von jedem Steinmetz als verwerflich angesehen werden muss. Die Erzählung endet mit einer überraschenden Entscheidung, die bis heute die Gestalt der Münstertürme prägt.

Wissenschaftlich korrekt
Auf der Grundlage historischer Fakten und gestützt auf umfangreiche Recherchen entwirft Stephan Jon Tramèr ein reichhaltiges Bild des ausgehenden Mittelalters. Um die historische Plausibilität von Text und Bildern zu gewährleisten, zog der Autor u. a. den Mentalitätshistoriker Claudius Sieber-Lehmann sowie die Kunsthistorikerin und Münsterautorin Dorothea Schwinn Schürmann zu Rate. «Die Textpassagen, die das Handwerk der Steinmetze betreffen, prüfte Marcial Lopez, vormaliger Meister der Basler Münsterbauhütte. «In der Reihe der Münsterliteratur stelle das Buch einen hervorragenden Beitrag dar, schreibt Münsterbaumeister Andreas Hindemann. Erstmals würden in zeichnerischen Darstellungen wissenschaftlich erarbeitete Befunde zur Polychromie, der Mehrfarbigkeit des Basler Münsters, in derart umfassender Weise zur Kenntnis gebracht.

«Für dieses Buch rekonstruierte ich den mittelalterlichen Innenraum und die äussere Erscheinung des Basler Münsters, wie dieses vor der Reformation von 1529 in seiner mutmasslichen Farbigkeit ausgesehen haben könnte», erklärt Tramèr. «Bisher gab es keine solche Ansichten.» Alle Raum- und Domansichten fussen auf zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche die kunsthistorische Forschung und die denkmalpflegerischen Bauuntersuchungen in den letzten Jahren zum Basler Münster lieferten. «Bebilderte Erzählbände mit einer hohen Dichte an Informationen und Emotionen werden ihre Anziehungskraft auch im digitalen Zeitalter nicht verlieren», ist Tramèr überzeugt. «In diesem Geist möchte ich auch weiterhin Bücher machen.»

Toni Schürmann

«Die Kreuzblume» von Stephan Jon Tramèr: 100 Seiten, 45 Farbbilder. IL-Verlag, Basel. 40 Franken.

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