«Mehr Berührung täte so gut»
In Zug wird es gemacht, in Luzern, Pfäffikon und St. Gallen. In Basel ist es seit der Eröffnung der Offenen Kirche Elisabethen 1994 regelmässig auf dem Programm. Und davon inspiriert hat es in seiner Kirchgemeinde in Thun auch der damalige Pfarrer und Theologe Jan Veenhof eingeführt: das Handauflegen im kirchlichen Rahmen.
Der Thuner Pfarrer Beat Beutler würde aber eine weitere Verbreitung des Angebotes begrüssen: «Ich bedaure sehr, dass es nicht viel häufiger praktiziert wird», sagt der ehemalige Hochbauzeichner. Er ist seit zwölf Jahren in der Johanneskirche im Amt; damals war das Angebot in der Berner Oberländer Stadt bereits etabliert.
«Etwas ganz Intuitives»
Während Beutler bereits die Segnungs- und Salbungsgottesdienste kannte, war das Handauflegen neu für ihn. Die beiden Angebote seien sich «aber schon nah», und nach einigen Jahren als Begleiter des Handauflegens hatte er das Bedürfnis, es selbst zu praktizieren. Woher der Wunsch kam, findet der Pfarrer schwierig zu sagen: «Das ist etwas ganz Intuitives. Es wurde mir manchmal beispielsweise beim Gebet mit älteren Menschen gesagt, dass bei Berührungen eine Kraft fliesse.»
Seit drei Jahren – nach Kursen in Reiki und bei Anne Höfler – legt Beat Beutler nun selbst seine Hände auf Menschen. In der Thuner Johanneskirche ist das seit Jahren gleich organisiert. Beim regelmässigen Handauflegen an Donnerstagabenden wird der Raum mit Paravents in Abteile unterteilt. Die Gäste kommen, ziehen eine Nummer und warten in den Kirchenbänken bei gedämpftem Licht und leiser Musik, bis sie an der Reihe sind.
Bewusst kein Gespräch
Beat Beutler ist nicht der einzige, sondern ein Mitglied des Teams. «Zu Beginn frage ich nach der Befindlichkeit – aber dann soll es bewusst kein Gespräch sein», sagt Beutler. Vis-à-vis der Person sitzend spricht er ein kurzes Gebet, in dem er um die göttliche Kraft bittet. Dann legt er die Hände auf, teils auch ohne direkten Kontakt. Berührungspunkte gibt es von Kopf bis Fuss. «Wichtig ist, dass immer eine Hand am Körper bleibt. Sonst ist das für die berührte Person wie ein Erschrecken.» Mit einem Segen schliesst er nach rund 20 Minuten die Begegnung ab.
Der Pfarrer empfindet das Handauflegen selbst als sehr stärkend: «Es ist etwas ganz Feines und Schönes. Und ich bin selbst Profiteur.» Wichtig sei dem Team in Thun, dass kein Heilungsversprechen gemacht werde, dass die Handauflegenden nicht als Heiler aufträten, sondern schlicht als Kanal, durch den die Kraft fliessen soll – und dass die Berührten nicht abhängig werden von einer Person; deshalb auch das Zufallsprinzip mit den Nummern.
In Jesus’ Fussstapfen
Dass der Vorgang trotz des fehlenden Heilungsversprechens gut tut, davon ist Beutler überzeugt. Und er kann mit dieser Ansicht auf uralten Traditionen und auch der Bibel aufbauen. Bereits im Alten Testament werden Segenshandlungen durch Handauflegungen begleitet. Jesus praktizierte sie. Und in den meisten anderen Konfessionen neben der evangelisch-reformierten sind sie häufiger und gängiger.
Hier sieht der Pfarrer Beat Beutler ein Manko der Reformierten. «Unsere Kirche hat ja ohnehin etwas eher Körperfremdes – das ist schade! Mehr Berührung täte so gut. Und gerade ältere Personen werden bei uns oft kaum mehr berührt.» Für Beutler wären das Gründe genug, dass der Andrang von einem «stabil tiefen Niveau» deutlich steigen dürfte.
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Marius Schären / reformiert.info / 6. April 2016
«Mehr Berührung täte so gut»