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Humanitäre Hilfe

Menschlichkeit, fotografisch dokumentiert

von Mirjam Messerli/reformiert.info
min
21.02.2025
Das «Haus der Fotografie» in Olten zeigt Fotografien aus 160 Jahren humanitärer Hilfe. Sie stammen aus dem Archiv des Roten Kreuzes. Eine Ausstellung, die hinschaut und nahegeht.

Am berührendsten sind die Bilder in der obersten Etage im «Haus der Fotografie»: Ausgestellt werden private Fotografien von Menschen, die in den Jahren 2018 bis 2021 aus Syrien geflüchtet sind. Heute leben sie verstreut überall in Europa.

Auf diesen Bildern sieht man nicht die Menschen auf der Flucht, sondern die Menschen vor der Flucht. An Hochzeitsfeiern, mit ihren Haustieren, beim Spielen mit den Kindern, an Schulabschlüssen, Partys, beim Yoga am Strand, daheim auf dem Sofa. Gesammelt hat die Bilder der französische Fotograf Alexis Cordesse.

Fotos wie Schätze

Für seine Arbeit mit dem Titel «Talashi» bat er Migrantinnen und Migranten, ihm private Schnappschüsse zur Verfügung zu stellen. Bilder, die Alltag zeigen, wie wir ihn alle kennen. Bilder, welche die Menschen mit auf ihre Flucht nahmen, notdürftig zusammengebunden mit einer Schnur, oder auf ihren Handys wie Schätze hüten (zum Werk von Alexis Cordesse).

Schaut man sich diese Fotos an, muss man zuerst oft lächeln. Und leer schlucken, wenn man realisiert: Diese Menschen hatten ein Leben, ein Daheim, Familie, Pläne, einen Hund, Freunde. Diese Menschen lebten wie du und ich – bis der Krieg diesem Leben ein Ende bereitete. Man könnte diese Bildersammlung jederzeit neu starten: Mit Fotos aus der Ukraine, aus dem Gaza-Streifen, aus dem Sudan.

 

Nach der schweren Explosion im Hafen von Beirut. Libanon, 2020. | Foto: Charbel Barakat/CICR

Nach der schweren Explosion im Hafen von Beirut. Libanon, 2020. | Foto: Charbel Barakat/CICR

 

Krieg ist allgegenwärtig auf den rund 600 Fotografien, die in der Ausstellung «To heal a world» noch bis am 4. Mai zu sehen sind. Es ist eine Ausstellung, die man mit einem Gefühl der Ohnmacht durchschreitet. Wieder und wieder Krieg, Vertreibung, Leid, Tod – und mittendrin Organisationen wie das Rote Kreuz oder der Rote Halbmond, die versuchen, den Opfern zu helfen und Menschlichkeit zu bewahren. Aus ihren Archiven stammen die Fotografien, die in Olten gezeigt werden.

Das fotografische Erbe beinhaltet Arbeiten von bekannten Fotografinnen und Fotografen, unter anderem der weltberühmten Agentur Magnum: Werner Bischof, Susan Meiselas, Henri Cartier-Bresson. Es werden aber auch Bilder von direkt Betroffenen sowie von Mitarbeitenden von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond gezeigt.

 

Ausstellung «To heal a world». 160 Jahre Fotografien aus den Sammlungen des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes.

7. Februar bis 4. Mai 2025 im Haus der Fotografie, Kirchgasse 10, Olten.

Öffnungszeiten: Mittwoch 14–18 Uhr, Donnerstag 14–20 Uhr, Freitag 14–18 Uhr,
 Samstag und Sonntag 11–17 Uhr. Eintritt: Fr. 18.–

www.ipfo.ch

 

«Über die Geschichte der humanitären Arbeit kann nicht ohne die Geschichte der Fotografie berichtet werden», sagt Nathalie Herschdorfer, Co-Ausstellungskuratorin. Die Erfindung der Fotografie im Jahr 1839 liegt nur 25 Jahre vor der Gründung des IKRK 1864. Humanitäre Einsätze wurden bereits in den Anfängen fotografisch dokumentiert. Neben Einsätzen in Kriegsgebieten sind auch solche nach Naturkatastrophen oder in Gebieten mit Hungersnöten in der Ausstellung zu sehen.

Eindrücklich ist auch der Blick von Forschenden oder IKRK-Mitgliedern auf einzelne Fotos. Was sieht man auf einem Bild? Wie war die tatsächliche Situation vor Ort? Was wollte der Fotograf mit dem Sujet aussagen? Und was löst ein Foto von längst vergangenen Kriegen oder Katastrophen heute bei uns aus? Diese Fragen werden in Audioaufnahmen zu teils ikonischen Fotos beantwortet.

 

Übung für einen Einsatz mit Gasmaske. Europa, 1933. | Foto: Archiv CICR

Übung für einen Einsatz mit Gasmaske. Europa, 1933. | Foto: Archiv CICR

 

Wer bringt und wer bekommt Hilfe?

Die humanitäre Arbeit lebt und überlebt auch dank Bildern. Aufrufe für Spenden oder Aktionen von Hilfswerken zeigen, welche Menschen Hilfe bringen und wer die Hilfe erhält. Dass dafür in früherer Zeit auch Stereotype herhalten mussten, zeigen Werbeplakate für Einsätze auf dem afrikanischen Kontinent: Weisse Retterinnen und Retter eilen herbei und bringen Nahrungsmittel zu hungernden schwarzen Kindern.

Auch darum sind die privaten Fotos innerhalb der Ausstellung so sehenswert. Sie führen buchstäblich vor Augen, dass Opfer von Kriegen und Katastrophen im Leben davor nicht anders aussehen als die Besuchenden der Ausstellung.

 

Wiedervereinigung zweier Brüder nach über 20 Jahren Trennung. Sinnar, Sudan, 2007. | Foto: Cecilia Goin/CICR

Wiedervereinigung zweier Brüder nach über 20 Jahren Trennung. Sinnar, Sudan, 2007. | Foto: Cecilia Goin/CICR

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