«Mich wundert, dass ich so fröhlich bin»
Am Anfang stand der Vierzeiler «Ich bin und weiss nicht wer. Ich komm und weiss nicht woher. Ich geh und weiss nicht wohin. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin». Am Schluss entstand das Bilderbuch «Dein Leben ist mehr, als was du siehst». Geschrieben von der Pfarrerin Caterina Fischer und illustriert von der englischen Kunststudentin Naomi Powell.
Anhand des Gedichts beschäftigt sich das Bilderbuch unter anderem auch mit der Frage «Was passiert mit mir, wenn ich tot bin?» Doch Fischer verharrt nicht bei der dunklen und letztlich unbegreiflichen Seite des Lebens, sondern gibt in einem Gespräch zwischen Vater und Sohn Antworten, die geprägt sind von Vertrauen, Hoffnung und Lebensfreude.
Schon länger hatte sich Caterina Fischer mit diesem mittelalterlichen Gedicht auseinandergesetzt. Dabei stiess sie auf eine Version von Martin Luther. Der deutsche Reformator dichtete die Zeilen neu: «Ich weiss sehr wohl, woher ich komme, ich weiss sehr wohl, wohin ich gehe, mich wunderts, dass ich so traurig bin.»
Grundvertrauen in Gott
Als die Pfarrerin Luthers Gedicht las, war sie von den zwei verschiedenen Ansätzen des Vertrauens berührt. Während der Arbeit am Bilderbuch spürte sie jedoch, dass sie Luthers Traurigkeit nicht teilt. Caterina Fischer wurde klar, dass frohmachende Gedanken im Zentrum stehen sollten. Sie wollte ein Grundvertrauen in Gott vermitteln. Mit Erfolg. Eltern und Katechetinnen meldeten ihr zurück, ihr Buch mache Mut, mit den Kindern über solche Themen zu reden.
Die Idee zu diesem Bilderbuch wurde an die Pfarrerin, die sowohl in Cham ZG im Gemeindepfarramt als auch in Küssnacht SZ im Jugendpfarramt tätig ist, herangetragen. Eltern berichteten Fischer, dass ihre Kinder nach dem Religionsunterricht am Familientisch über solche Themen sprachen und ihnen als Eltern oft die richtigen Worte fehlten. «Vielen Eltern fällt das Reden über das Sterben und den Tod schwer», meint Caterina Fischer. Deshalb wollte sie ein Buch schaffen, dass Kinder und Erwachsene gleichermassen anspricht und zum Nachdenken einlädt, selbst wenn die Thematik schmerzvoll sein kann.
Die Kinder ernst nehmen
In Küssnacht am Rigi und Cham erteilt die Pfarrerin Religionsunterricht. Dort erlebt Fischer das Vertrauen, das ihr die Kinder entgegenbringen, und sie will dieses Vertrauen nicht missbrauchen. Caterina Fischer sagt ihnen nicht vor, was sie zu glauben haben, sondern zeigt auf, was Glaube bedeuten kann. Sie erzählt den Jugendlichen über ihren eigenen Glaubensweg und erklärt ihnen, wie die Bibel zu ihrer Richtschnur geworden ist. «Meist entstehen dann tiefe Gespräche», sagt Fischer. Gerade jüngst meldeten ihr Schülerinnen und Schüler zurück, wie sehr sie es schätzen, dass sie nie von ihnen gefordert habe, was sie glauben müssen. Sondern sie habe ihnen gezeigt, was sie glauben dürfen. Für Caterina Fischer ist dieser offene und ehrliche Ansatz entscheidend für das Gelingen des religiösen Gesprächs.
Das fällt nicht immer leicht. Denn einige der Kinder und Jugendlichen, die in ihrem Unterricht sitzen, glauben nicht, dass es einen Gott gibt. Die Pfarrerin lässt dies gelten. Sie weiss, dass Überzeugungsdruck nichts bringt. Auch sie hat einen Glaubensweg hinter sich. Sie wuchs katholisch auf, konvertierte, wurde reformiert und studierte Theologie an der Theologischen Fakultät der Waldenser in Rom. Seit Jahren arbeitet die dreifache Mutter als Religionslehrerin.
Bezug zum eigenen Leben
Viele Kinder und Jugendliche wachsen ohne biblische Geschichten auf. Für andere stehen diese Erzählungen neben Grimms Märchen. Ohne Bezug auf das eigene Leben hätten die biblischen Zeugnisse den gleichen Wahrheitsgehalt wie diese, sagt Caterina Fischer. Deshalb zeigt sie, dass die Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament etwas über Gott und seine Beziehung zu uns aussagen.
Für Caterina Fischer ist es in der Erziehung wichtig, dass Eltern ihre Kinder so annehmen, wie sie sind: «Heutzutage haben Eltern dermassen hohe Erwartungen an ihre Kinder.» Im Taufgespräch vermittelt Fischer, dass Gott jedes Kind bedingungslos annimmt, unabhängig von Leistung und Begabung und egal ob aus ihnen brave oder schwierige Kinder werden. Die Eltern berührt diese Aussage. Caterina Fischer selbst hat dieses Angenommensein ebenso erlebt. Ihre Eltern waren von Sizilien nach Deutschland ausgewandert. Sie mussten hart arbeiten und hatten wenig Zeit für die vier Kinder. Wenn Caterina am Mittag von der Schule nach Hause kam, stand das Essen nicht auf dem Tisch. Sie musste warten, bis ihre Eltern heimkamen. Doch das habe ihr nicht geschadet, denn sie spürte deren uneingeschränkte Liebe und Zuneigung: «Meine Eltern waren für uns da und liessen uns das spüren.»
Buch: Dein Leben ist mehr, als was du siehst, Caterina Fischer, Naomi Powell, 24 Franken.
Zum Bild: Pfarrerin Caterina Fischer: «Vielen Eltern fällt das Reden bei einem Todesfall schwer.» | tz
Tilmann Zuber
Links:
www.caterina-fischer.ch
«Mich wundert, dass ich so fröhlich bin»