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Für Grenzverletzungen

Movis: Neue vertrauliche Anlaufstelle der Reformierten Kirche

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25.09.2024
Die Reformierte Kirche Schaffhausen hat die Anlaufstelle für Grenzverletzungen neu besetzt. Movis berät und unterstützt kirchliche Mitarbeiter und Teilnehmende von kirchlichen Angeboten, wenn deren persönliche Integrität verletzt wurde.

Die Reformierte Kirche Schaffhausen nahm dieses «heisse Eisen» schon früh auf die Agenda. Bereits 2005 beschäftigte man sich mit dem Thema der persönlichen Integrität und damit zu einer Zeit, während der diese Problematik in der breiten Öffentlichkeit kaum ein Thema war. Erst das Bekanntwerden zahlreicher Übergriffe, unter anderem prominenter Hollywood-Stars, sensibilisierte die breite Masse dafür. 2005 hatte man bereits in der Schaffhauser Landeskirche zu diesem Thema Massnahmen und Verhaltensregeln definiert und einen Flyer entwickelt. Auf diesem Flyer wurde darauf hingewiesen, an wen sich Opfer und Täter im Fall eines Übergriffes oder sexueller Belästigung wenden können. Ganz im Sinne des reformierten Verständnisses wurden auch die Täter in diesem Kontext berücksichtigt statt ausgeschlossen.

Durch die vertrauliche Beratung erhalten Betroffene Hilfe zur Selbsthilfe, um sich gegen Grenzverletzungen zur Wehr zu setzen.

 2021 war es an der Zeit, die Dokumente zu überarbeiten. Damit wurden die damals neu gewählte Kirchenrätin Franziska Bevilacqua und eine Arbeitsgruppe beauftragt. Durch den Austausch mit anderen Landeskirchenvertretern erfuhr sie, dass die Graubündner Landeskirche mit Movis zusammenarbeitet. Movis ist ein neutrales und spezialisiertes Beratungsunternehmen, welches sich die gesunde und positive Gestaltung der Arbeits- und Lebenswelt auf die Fahne geschrieben hat. Davon profitieren Mitarbeitende, Führungskräfte und die Unternehmen oder Organisationen. Die Erfahrungen, die damit gemacht wurden, seien sehr gut gewesen, hiess es.

Die Idee, in unserem kleinen Kanton, in dem jeder jeden kennt, eine externe, professionelle und vertrauliche Anlaufstelle für Betroffene einzurichten, überzeugte den Kirchenrat. So arbeitet die Schaffhauser Landeskirche seit Mai 2024 mit Movis zusammen. Der Vorteil: Die Beratung findet mit professionell geschultem Personal statt. Die Anonymität des Hilfesuchenden wird gewahrt. «Durch die vertrauliche Beratung erhalten Betroffene Hilfe zur Selbsthilfe, um sich gegen Grenzverletzungen zur Wehr zu setzen», so Bevilacqua.

Zwei Fälle in 20 Jahren

In den vergangenen 20 Jahren wurden zwei Fälle der Kirchenleitung gemeldet. «Es waren keine schlimmen Fälle», so Bevilacqua. «In einem Fall ging es um eine radikale theologische Auslegung, in einem anderen um eine bewusste Provokation.» Die Zahl der Fälle sei schon gering. Was entweder daran liegt, dass Grenzverletzungen in der reformierten Kirche nicht so oft vorkommen, oder aber dass diese bisher zu wenig thematisiert worden sind. «Meist sind Missbrauchsopfer mit Schuld und Scham bedeckt und sprachlos. Es kommt daher eher in Seelsorgesprächen zu Tage, als dass man sich an die Kirchenleitung wendet.»

Das Beratungs- und Unterstützungsangebot Movis richtet sich an betroffene, beschuldigte oder involvierte kirchliche Mitarbeiter aller Hierarchiestufen, an freiwillige Helfer und Helferinnen sowie Teilnehmende von kirchlichen Angeboten. «All jene, die Belästigung erleben oder mutmassliche Integritätsverletzungen (Mobbing, sexuelle Belästigung, Diskriminierung, Bedrohung/Gewalt), dürfen sich an diese Stelle wenden», so Bevilacqua. Das Angebot kann vor Ort in Schaffhausen genutzt werden, bei einem persönlichen Gespräch, telefonisch oder online. Die Mitarbeiter von Movis versuchen in der Folge die Situation einzuordnen. Bei schweren Vergehen, wie einem sexuellen Missbrauch, wird Anzeige erstattet.

Prävention genauso wichtig

«Unsere kleine Kantonalkirche könnte es nicht leisten, 24/7 erreichbar zu sein», sagt Franziska Bevilacqua. «Mit der Anlaufstelle hoffen wir, schwierige Situationen früh genug zu entschärfen. Ebenfalls erhalten wir durch die Zusammenarbeit eine neutrale und kompetente Aussensicht. Falls nötig, können Optimierungen in unserer Kirche beschlossen werden.» Die Beratungen sind auf maximal 10 Stunden pro Fall begrenzt.

«Die Prävention ist natürlich genauso wichtig. Movis bietet regelmässige Weiterbildungen an oder Mitarbeiter können von Kirchgemeinden für Weiterbildungen gebucht werden, zumal Kirchgemeinden Personalverantwortung haben und wissen sollten, wie mit Grenzverletzungen umzugehen ist. Aufklärung und Sensibilisierung sind ein wichtiger Punkt», so Bevilacqua.

Nachdem Hilfesuchende an Movis gelangt sind, erhält die Landeskirche einmal jährlich eine Auswertung in schriftlicher und anonymisierter Form, in der vorgeschlagen wird, wie die Organisationskultur verbessert werden könnte.

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