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Das «Sonntagszimmer» im Matthäus-Quartier

Musik von einem Gast

von Matthias Zehnder/tsc
min
31.05.2024
BASEL | Das sozialdiakonische Projekt «Sonntagszimmer» begleitet Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Die ukrainische Pianistin Larysa Kolensky spielt regelmässig für dessen Gäste.

An einem Sonntagnachmittag Anfang Mai vibriert die Matthäuskirche im Kleinbasel förmlich unter den Klängen der Oper «Carmen» von Georges Bizet. Auf der Bühne: die ukrainischen Opernsängerinnen Larysa Rohovets und Yulija Lytvynova sowie die Pianistin Larysa Kolensky.

Die drei aus der Ukraine geflohenen Berufsmusikerinnen lernten sich in Basel kennen. In der Ukraine sangen und spielten sie in grossen Häusern. Nun erfreuen sie die Gäste des Sonntagszimmers in der Matthäuskirche mit ihrer Musik. Anlass für das Konzert ist die Vernissage des ukrainischen Künstlers Oleksandr Rokhmaniiko. Vor allem aber wollen sie mit ihrer Musik Danke sagen.

Erfolgreiche Konzertpianistin

Larysa Kolesnyk war in ihrer Heimat eine erfolgreiche Konzertpianistin und Klavierpädagogin. Einige ihrer Schülerinnen haben Karriere gemacht und arbeiten als Pianistinnen in der ganzen Welt. Per E-Mail und Whats-app bleibt ihre Lehrerin mit ihnen in Kontakt. Dann kam der Krieg in der Ukraine, und Larysa und ihr Mann Valeri flohen im Oktober 2022 in die Schweiz, in die Region Basel. Hier hatte ihre erwachsene Tochter Alla bereits Zuflucht gefunden.

Zusammen mit ihrem Gastgeber Andi teilt sich die dreiköpfige Familie eine Wohnung in Rodersdorf. Ihre Heimatstadt Dnipro liegt im Südosten der Ukraine am gleichnamigen Fluss und ist die viertgrösste Stadt des Landes. Basel erinnert sie an ihre Stadt, weil auch Basel an einem grossen Fluss liegt. Allerdings ist ihre Stadt heute zerbombt und vom Krieg stark gezeichnet.

Ohne Worte

Auf Empfehlung von Oleksandr Rokhmaniiko, einem geflüchteten ukrainischen Maler, besuchten Larysa und ihre Familie im Dezember 2022 zum ersten Mal das «Sonntagszimmer» in der Matthäuskirche. Larysa sprach kein Deutsch. Mit ihren Händen gab sie Gastgeber Thawm Mang zu verstehen, dass sie Klavier spielt. Als sie ohne Noten ein Stück von Mozart anstimmte, weiss Mang sofort, dass hier eine professionelle Musikerin am Klavier sitzt.

Seitdem verzaubert Laryssa regelmässig die Gäste des «Sonntagszimmers» mit ihrer Kunst. Sonntag für Sonntag kommt Larysa mit ihrem Mann in die Matthäuskirche. Sie begleitet den Gottesdienst am Mittag und spielt beim Mittagessen zwischen den Gängen ein paar Stücke. Dabei schöpft sie aus ihrem grossen Repertoire. Ihre Aufgabe im «Sonntagszimmer» sieht sie darin, den Menschen die Schönheit der Klänge näherzubringen. Ihre Musik sei wie ein Gebet, das die Seelen der Gemeinde mit Gott verbindet. Wenn sie spiele, sei auch sie mit dem Göttlichen verbunden. Das helfe ihr in dieser traurigen Zeit.

Klavier gespendet

Als im «Kirchenboten» ein Foto von Larysa erschien, wurde Babette Wackernagel Batcho von der Stiftung «Musik für alle» auf die ukrainische Pianistin aufmerksam. Sie nahm Kontakt zum «Sonntagszimmer» auf und spendete der geflüchteten Pianistin ein Klavier aus einem Nachlass sowie viele wertvolle Klaviernoten. Larysa ist zutiefst dankbar für die Spende.

Das Sonntagszimmer ist für Larysa und ihren Mann zu einem Zuhause geworden. Sie schätzen den warmen Empfang, die freundschaftliche Gemeinschaft und die Spiritualität. Für Larysa ist es eine grosse Genugtuung, mit ihrer Musik etwas zurückgeben zu können in Zeiten, in denen sie und ihre Familie auf die Güte und Hilfe von anderen angewiesen sind. Regelmässig gibt sie Kindern aus dem Umfeld des Sonntagszimmers Klavierunterricht.

Larysa hat ein einzigartiges Talent. Aber auch viele weitere freiwillige, treue Helferinnen und Helfer bereichern das Sonntagszimmer mit ihrer Unterstützung und ihren Talenten beim Kochen, Backen, Kleidersortieren, Tischdekorieren, Vorlesen, Abwaschen, Malen, Basteln und Trösten. So können die Kosten für das sozialdiakonische Angebot niedrig gehalten werden. Trotzdem ist das «Sonntagszimmer» auf Spenden angewiesen, um diese sonntägliche Oase weiter zu ermöglichen. Alle, die mögen, sind herzlich eingeladen, mitzuhelfen und mitzugestalten.

 

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