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Pfarramt für Industrie und Wirtschaft

Netzwerken leicht gemacht

von Noemi Harnickell
min
07.06.2023
«Der Industriepfarrer im Gespräch mit …» ist eine Gesprächsreihe von Martin Dürr. Zum ersten Mal sind zu den Wirtschaftstalks nur Frauen als Gäste eingeladen.

«Vortrag Wirtschaftsfrauen» steht in meinen Kalender gekritzelt. Ein Recherchetermin, den ich mir vor Wochen notiert habe und über den mir nun Zweifel kommen. Eine Abendveranstaltung des Pfarramts für Industrie und Wirtschaft, die eine Mischung aus Talk und «Networking-Apéro» sein soll. «Networking» ist für mich das Unwort der Stunde. Mir graut vor Gesprächen über Karriere, und ich nehme mir vor, nach dem Talk rasch nach Hause zu gehen. Doch eines unterschätze ich: die Kraft einer Gruppe motivierter Frauen und zwei Gläser Weisswein.

Netzwerke für Frauen

Martin Dürr leitet seit 2010 das Pfarramt für Industrie und Wirtschaft in Basel. Dass nur Frauen als Gäste eingeladen sind, ist in dieser Radikalität ein neues Konzept. Die Idee entstand im Gespräch mit Dürrs eigenen Töchtern, die fest im Berufsleben stehen.

Frauen fällt es oft schwerer als Männern, berufliche Netzwerke aufzubauen. Zwischen Wein und Chips werden oft Beförderungen und andere Karrieremöglichkeiten diskutiert. Wer nicht mit den Einflussreichen der Branche in Berührung kommt, verpasst oft Aufstiegschancen. «Das Pfarramt hat ein grosses Netzwerk», sagt Dürr. «Warum sollen die Frauen das nicht nutzen können?»

Frauen bleiben viel länger auf ihrer Ursprungsposition sitzen als ihre männlichen Kollegen.

Der Cheminéekeller am Peterskirchplatz in Basel ist voll, Dürr ist der einzige Mann. Er sitzt vor dem namensgebenden Kamin, neben ihm Flavia Grossmann, Co-Geschäftsleiterin des Vereins Amie Basel, Marilen Schwald, Managing Director von Innovation Basel und Co-Managing Director der Donati Vini AG, und Stefanie Fehr, Lead Client Experience and Intelligence Social Impact bei UBS. Dürr beginnt den Abend, wie jede andere Gesprächsreihe, mit der gleichen Frage an die drei Teilnehmenden: «Wer hat dich in deiner Kindheit am meisten geprägt?»

«Ich war in der Schule eine richtige Streberin», sagt Fehr. «Im Büro merkte ich aber auf einmal, dass es gar nicht die gute Leistung ist, die einen in einer Firma nach oben bringt.» Sie beobachtet, wie ihre männlichen Kollegen während der Arbeitszeit von Büro zu Büro wandern, sich austauschen, plaudern. Sie netzwerken, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Fehr sagt, sie sei introvertiert, zu viele Leute strengten sie an. Aber sie hat auch Ambitionen. «Zehn Prozent meiner Arbeitswoche», sagt sie, «plane ich für Networking ein. In einer Excel-Tabelle stehen Namen von Menschen, die ich mal wieder auf einen Lunch treffen möchte, und die gehe ich jede Woche systematisch durch.»

Frauen für Frauen

Fehr und Schwald haben gemeinsam die Organisation «womenmatter/s» gegründet, mit dem das Ziel, Frauen in Karrierefragen zu unterstützen. «Oft heisst es, Frauen hätten am oberen Ende der Karriereleiter Mühe, den entscheidenden Schritt zu machen», sagt Schwald. «Dabei zeigen Studien, dass Frauen viel länger auf ihrer Ursprungsposition verharren als ihre männlichen Kollegen.»

Es ist das Problem des «broken rung», der gebrochenen ersten Sprosse, die Frauen oft schon in den Anfängen das Weiterkommen erschwert. Schwangerschaft und Gender-Bias gehören mitunter zu den häufigsten Ursachen.

Auch Männer sind willkommen

«Deshalb sind solche Veranstaltungen so wichtig», sagt Grossmann. «Sie bieten einen geschützten Rahmen, in dem sich Frauen austauschen können und verstehen lernen, dass sie nicht alleine sind.» Sie sieht die Veranstaltung nicht als reinen Frauenevent. «Es kann für Männer befreiend sein», sagt sie, «wenn wir gemeinsam die Rollen neu aufteilen und Vorbilder schaffen.»

Mir ist es wichtig, dass auch Männer kommen. Wir müssen uns anhören, was Frauen beschäftigt.

Weil auf dem Flyer nur Frauen abgebildet sind, gehen viele davon aus, dass die Veranstaltung nur für Frauen sei. Wären es drei Männer, sässen auch Frauen im Publikum. Martin Dürr hat das schon oft beobachtet. «Mir ist es wichtig, dass auch Männer kommen», sagt er. «Wir müssen uns anhören, was Frauen beschäftigt.» Dürr geht inzwischen so weit, dass er seine Teilnahme an Podiumsgesprächen absagt, wenn keine Frau auf der Bühne sitzt.

Und was ist aus dem grauenvollen «Networking-Apéro» geworden? Die Frau auf dem Stuhl neben mir dreht sich nach der Veranstaltung zu mir um, lächelt und fragt, wo ich arbeite. Sie selber sei Juristin. «Ein Glas Wein? Hast du LinkedIn?» Eine andere Frau stellt sich dazu. Sie arbeitet in der Denkmalpflege. Noch ein Glas Wein? Mein Grauen vor dem nächsten Netzwerk-Event hat sich an diesem Abend in etwas wie Vorfreude gewandelt.

 

Der Industriepfarrer im Gespräch mit...

Der nächste Gesprächsabend findet am 14. Juni statt. Gäste sind Nelly Riggenbach und Karima Zehnder.

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