Neue Kirchenmusik als multimediales Gesamtkunstwerk
Wer unter Kirchenmusik schleppend gesungene Gemeindelieder mit schmalbrüstiger Orgelbegleitung versteht, sollte sich mal richtig umhören. Der Wettbewerb, den die reformierte und die katholische Kirche im Kanton Zürich zusammen mit der Hochschule der Künste ausgeschrieben hatten, suchte neue, innovative Formen der «musikalischen Verkündigung» und fand sie auch. Unter den rund zwanzig Wettbewerbsbeiträgen, die von Musikerinnen und Performern, Profis und Laien, Kollektiven und Einzelkünstlern aus der ganzen Schweiz eingereicht wurden, fand sich so ziemlich alles an Darstellungsformen: Rap, klassische Kompositionen, Popsongs, Performance und multimediale Werke. «Künstlerinnen und Darsteller aus den unterschiedlichsten Sparten haben sich mit ihren Arbeiten für die Kirchenmusik stark gemacht. Dieses Engagement zeigt mir, dass ein grosses Interesse besteht», sagt Beat Schäfer.
Töne und Bewegung
Schäfer ist Leiter Kirchenmusik an der Zürcher Hochschule der Künste und präsidierte die Jury des Wettbewerbs «Klang & Gloria». Zwanzig Jahre junge Kulturschaffende hätten mitgemacht, sagt der Schul- und Kirchenmusiker, aber auch über Sechzigjährige. Das habe ihn gefreut und beeindruckt. «Viele der Beiträge beschränkten sich nicht auf die musikalische Umsetzung der vorgegebenen Texte. Die Musik wurde verwoben mit Bildern, Videos und Bewegungselementen. Dabei entstanden dichte Inszenierungen, die das Publikum unmittelbar erreichten.»
Texte und Geräusche
Am Nachmittag des 28. Mai konnten sieben der Wettbewerbsteilnehmer ihre Werke im Vortragssaal der Hochschule der Künste auf dem Areal der ehemaligen Toni-Molkerei in Zürich vorstellen. Gleich im Anschluss traf die Jury ihre Wahl, und abends traten dann die fünf Gewinnerinnen und Gewinner auf. «Der Orgelsaal war proppenvoll», sagt Kerstin Lenz, die Informationsbeauftragte der katholischen Kirche im Kanton Zürich. Und das Publikum sei fasziniert gewesen von den spannenden Projekten. Auch wenn einem die szenische Umsetzung zuweilen einiges an Offenheit abgefordert habe. «In einem stockdunklen Saal zu sitzen und irgendwelchen Tönen, Sätzen und Geräuschen zu lauschen, war recht anspruchsvoll. Aber auch überraschend und anregend.»
Zuhören und mitsingen
Der erste Preis in der Sparte «Kreation» ging an den jungen Komponisten, Performer und Installationskünstler Léo Collin. Er kombiniert in seinem Werk die Musik mit choreografischen Elementen, mit gesprochenen Texten und dem Spiel mit Licht und Dunkelheit. «Seine radikale Umsetzung hat am meisten überzeugt», meint der Jurypräsident Beat Schäfer. Aber auch andere Künstlerinnen und Künstler boten überraschende und stimmige Inszenierungen. Etwa Alexander Bayer, der bei seinem «Circle Song» das Publikum zum Klangkörper machte. Oder die Sängerin und Songwriterin Manuela Gagliotta mit ihrem perfekt dargebotenen Popsong. Besonders gefallen hat der Jury auch die Vertonung eines Gedichts von Hilde Domin der Organistin Zrinka Durut. Zusammen mit dem Perkussionisten Robert Mark schuf sie ein dichtes Klangevent. «Die beiden versetzten das Publikum mit Klängen und Geräuschen in einen meditativen Zustand und kreierten ein grosses stimmiges Gemälde.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Katharina Kilchenmann / reformiert. / 31. Mai 2016
Neue Kirchenmusik als multimediales Gesamtkunstwerk