Nicht einfach «nur» ein Tier: Gedenkfeier für verstorbene Vierbeiner
«Oft, wenn ein geliebtes Haustier stirbt, wird uns gesagt: ‹Kauf dir doch ein neues!›» Pfarrer Frank Lorenz schüttelt verständnislos den Kopf. «Das ist das kapitalistische Denken unserer Gesellschaft. Wir können alles ersetzen, auch Lebewesen, die uns über Jahre hinweg treu waren.»
Fast 50 Gäste sind zur Tiergedenkfeier in der Offenen Kirche Elisabethen in Basel erschienen. Ein guter Fünftel von ihnen sind Vierbeiner, die der Veranstaltung eine eigene Form der Andacht verleihen. Die Gottesdienste, in der verstorbene Haustiere verabschiedet werden, ist ein neues Projekt des Arbeitskreises Kirche und Tier (AKUT). Eingeladen sind Trauernde um jede Art von Haustier, ob Wellensittich oder Hamster, Katze oder Hund, Pferd oder Kuh.
Vierbeinige Ersatzbrüder
Frank Lorenz tritt im weissen Talar auf, um die Schulter trägt er eine elegante Trauerstola. Die Trauer um ein Tier nimmt er nicht weniger ernst als die Trauer um einen Menschen. «Wer hier in der Schweiz hat gelernt, wie man trauert?», fragt er in den Kirchenraum. Ein Kopfschütteln geht durch die Menge. «Sie haben mit diesem Tier einen Lebensabschnitt verbracht», betont Lorenz. «Kinder sind vielleicht mit diesem Tier aufgewachsen, es war ihr vierbeiniger Ersatzbruder.»
Neben der Trauer um ein Haustier kommt oft auch das Desinteresse des Umfeldes dazu. Es ist «nur» ein Tier, ein scheinbar ersetzbares Ding, wie Frank Lorenz in seiner Ansprache kritisiert. Das hat zur Folge, dass viele Menschen mit ihren Gefühlen nicht nur alleingelassen sind, sondern auch glauben, sich dafür schämen zu müssen.
AKUT setzt sich als gemeinnütziger Verein für die Interessen von Tier und Mensch ein und betont die Wichtigkeit, Tiere als Mitgeschöpfe zu betrachten. Das Gebot der Nächstenliebe betrachtet der Verein als allgemein gültig und überträgt es darum auch auf Tiere. Mit den Gedenkfeiern für verstorbene Haustiere versucht AKUT, der Trauer einen sicheren Rahmen zu setzen. Menschen sind in den Tiefen der Trauer oft auf Anleitung angewiesen. Das Fehlen von ritualisierter Trauer erschwere es uns, mit Verlusten umzugehen. Den Trauerprozess zu formalisieren, hilft, ihn zu bewältigen.
Neben den Gottesdiensten bietet AKUT auch Seelsorge an und unterstützt beim Abschiednehmen zu Hause. Auch da werden strukturierte Rituale empfohlen: Streicheln des toten Tiers, Verstreuen der Asche, Erinnerungen an gemeinsame Zeiten aufschreiben oder Gebete sprechen. Abschiednehmen ist ein individueller Prozess.
Kerzenritual und Segnung
Nach der Predigt werden die Trauernden dazu eingeladen, Kerzen anzuzünden und diese in Sandschalen zu stellen. Wer möchte, kann sich und auch sein Tier segnen lassen. Auch ein Gedenkbuch steht bereit, in das Nachrichten geschrieben werden können. Eine Auswahl davon wird jede Woche im regulären Gottesdienst verlesen. Alle Teilnehmenden nehmen die angebotenen Rituale in Anspruch. Frank Lorenz hält weinende Frauen und Männer an den Schultern fest, schliesst sie in die Arme, krault die aufgestellten Ohren der Hunde.
Es gibt im Sterben und Trauern eine Parallelität zwischen Tieren und Menschen. Während gesellschaftlich das Für und Wider von begleitetem Suizid diskutiert wird und Hinterbliebene zuweilen mit der Entscheidung eines Angehörigen hadern, versuchen auch Haustierhalter den friedlichsten Tod für ein Tier zu ermöglichen. «Niemand fällt den Entscheid, sein Tier einschläfern zu lassen, leichtfertig», sagt Lorenz. «Es geht vielmehr darum, die Verantwortung für das Tier wahrzunehmen.»
Kein Auge bleibt trocken an diesem Vormittag. Und dennoch ist die Veranstaltung nicht ohne ihren ganz eigenen Witz. Beim Segen fängt einer der Hunde an zu bellen, die anderen stimmen mit ein. Mit etwas Sentimentalität möchte man in dem Jaulen und Kläffen ihren eigenen Gesang wahrnehmen.
Nicht einfach «nur» ein Tier: Gedenkfeier für verstorbene Vierbeiner