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Nicht hieb- und stichfest

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06.07.2017
Reliquien hat die Reformation aus den Zürcher Kirchen verbannt. 1848 aber kamen unter Kanonenschüsse Zwinglis Waffen vom Schlachtfeld Kappel zurück. Waren Schwert und Helm aber überhaupt echt? Eine Geschichte, die im Wandel der Zeit immer neue Färbungen erhält.

13. Januar 1848: Vor dem Zürcher Rathaus kündigen Kanonenschüsse einen Staatsakt der besonderen Art an.Der Zürcher Oberst Eduard Ziegler, Platzkommandant in Luzern nach dem Sonderbundkrieg, überbringt die Zwingli-Waffen. Drei Jahrhunderte waren sie im katholischen Luzern als Siegestrophäe zur Schau gestellt worden. Nach der verlorenen Schlacht 1531 zu Kappel, nachdem der tote Zwingli längst gevierteilt und der „Erzketzer“ zusammen mit schweinernen Fleischstücken verbrannt war, wanderten seine Armee-Utensilien ins Zeughaus nach Luzern. 1848 aber kehrten sie zurück. Der Zürcher Bürgermeister Ulrich Zehnder wurde überflutet von patriotischen Gefühlen: «Dieser Augenblick gehört zu den ergreifendsten meines Lebens, zu den bedeutungsvollsten meiner amtlichen Tätigkeit.» Der von der Reformation verbannte Reliquienkult fand in säkular-staatspolitischer Kostümierung seine Wiederauferstehung in der Zwinglistadt Zürich.

Die grosse Lücke

Noch heute sind Schwert und Helm in einer Vitrine in der Dauerausstellung des Landesmuseums zu sehen. Säbel, Armbrust und auch die Streitaxt, die damals aus Luzern mitgeliefert wurden, sind längst als Requisiten der religiösen Propaganda aus der Sammlung verschwunden. Und Erika Hebeisen, die als Historikerin über die Waffensammlung des Landesmuseums wacht, setzt auch hinter die verbliebenen Waffen - Helm und Schwert - ein Fragezeichen. Die Inschrift «Zwingli» auf dem gespaltenen Eisenhut sei nachträglich gefertigt. Auch das Schwert erweist sich nicht als hieb- und stichfest. „Es klafft überlieferungsmässig eine grosse Lücke», sagt die Expertin des Landesmuseums. Denn erst einige Jahrzehnte nach der Schlacht tauchen beim Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat die Zwingliwaffen erstmals auf. 1603 findet sich dann in den Zeughausakten die Notiz von «Zwinglis Isenhutt und fuusthammer vnnd sin Schwert». Das urtümliche Faustrohr wurdeindes im Landesmuseum längst aussortiert. 1848 aber gab es keinen Zweifel an der Echtheit der Waffen.

Echt oder nicht echt? - diese Frage will das Landesmuseum unter anderem in der von Erika Hebeisen konzipierten Ausstellung «Gott und die Bilder» (ab Februar 2018) beantworten oder besser: nicht beantworten. Denn die Historikerin sagt: «Eine definitive Antwort über die Herkunftsgeschichte werden wir auch dann nicht geben können.» Trotz einer plausiblen Geschichte, wie Zwingli dieses Schwert in Strassburg geschenkt wurde, beharrt Hebeisen darauf: Wichtige Glieder in der Beweiskette würden fehlen, ob der Reformator wirklich diese Waffe zur Schlacht von Kappel umgegürtet hat.

Gotteskrieger oder Pazifist?

Was aber die Geschichten um Zwinglis Schwert allesamt eint: Sie sind aufgeladen von dem sich wandelnden Zwinglibild. Bester Ausdruck davon ist das vom Tiroler Heinrich Natter gestaltete eherne Standbild hinter der Zürcher Wasserkirche. Dort wird Zwingli monumental das Schwert in die Hand gedrückt. Der katholische Bildhauer stellte den Zürcher Reformator als patriotisch-politischen Helden auf den Denkmalsockel. Erst nach langem Ringen der Denkmal-Kommission hielt der Gusseisen-Zwingli schliesslich noch die Bibel in der anderen Hand. Bei der Einweihung des Denkmals dichtete damals Conrad F. Meyer:

«Volk, es predigt dir das Schwert

Von der Väter Edelmut

Wie man für ein geistig Gut

Leib und Leben freudig lassen kann.»

Der Zwingli des 21. Jahrhunderts soll ohne Schwert sein. Der Reformationshistoriker Peter Opitz hat schon formuliert: «Dieses Denkmal sollte man eigentlich entfernen.» In diesem Zusammenhang erinnert Erika Hebeisen auch an die Diskussion um das Dürer-Portrait eines jungen Mannes, das nun Zwingli zugeschrieben wird. «Auch wenn die Zuschreibung hochspekulativ ist: Heute will man Zwingli jung und dynamisch sehen», sagt die Historikerin des Landesmuseums. Das authentischere Asper-Porträt sei, so beispielsweise der Zwingli-Biograf Franz Rüeb, «streng, eckig, unpersönlich, leblos, unsinnlich, beinahe unmenschlich.» Der Zeitgeist wird das Bild von Zwingli mit oder ohne Schwert weiter umformen - auch nach den Reformationsjubelfeierlichkeiten.

Delf Bucher/reformiert.info

 

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