Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug
Hofackerzentrum Schaffhausen

Nina Corti: Auf der Bühne kehrt die Kraft zurück

von Adriana Di Cesare
min
26.10.2023
Die berühmte Tänzerin Nina Corti erzählte in Buchthalen aus ihrem Leben und brachte die Leidenschaft des Flamenco auf die Bühne.

Kraftvoll, ausdrucksstark, leidenschaftlich: Wenn Nina Corti tanzt, schwingt ihre ganze Lebenserfahrung mit. Jeder Schritt, jede Drehung, jede Geste ist ein persönliches Statement: «Flamenco ist der Tanz des Lebens. Er spiegelt dein Wesen, zeigt dir, wer du bist, und reift mit dir.»

Flamenco ist ein Solotanz. Doch Nina Corti ist wichtig, dass sie von Musikerinnen und Musikern auf der Bühne nicht nur begleitet wird. «Ich habe den intensiven Kontakt zu meinen Mitspielerinnen und Mitspielern immer gesucht, denn ich verstehe mich ebenfalls als Musikerin.»

Liebe auf den ersten Blick

Auf der Bühne des HofAckerZentrums in Buchthalen lässt sich Nina Corti auf die Gitarrenklänge von Vincente Cortés ein, um Liebe, Leid und Lebenslust auszudrücken. Dabei zeigen sich ihre Musikalität, ihr Rhythmusgefühl und ihre Lust an der Improvisation wie in jungen Jahren. Heute, mit siebzig, tanzt Nina Corti noch immer voller Leidenschaft den Flamenco.

Die Begegnung mit ihr, zu der die «Evangelischen Frauen Schaffhausen» eingeladen hatten, ist eine Reise durch die Tanzgeschichte der Künstlerin, moderiert von ihrem Lebenspartner Stephan Trösch. Bilder zeigen wichtige Stationen, angefangen im Elternhaus von Nina Corti in Zürich. Der Tochter ­eines italienisch-spanischen Vaters und einer russisch-polnischen Mutter wurde die Kunst in die Wiege gelegt. Durch den Beruf des Vaters, er war Bratschist im Tonhalle-Orchester Zürich, war sie von klein auf mit der klassischen Musik vertraut, lernte Klavier spielen und nahm Ballettstunden. Den Flamenco lernte sie mit siebzehn kennen, als eine Schulkollegin sie mit zu einer Lektion nahm. «Ich liebte den Flamenco von der ersten Stunde an. Er war wie eine Tür, durch die ich hindurch trat. Diesen Rhythmus in den Boden zu stampfen, weckte eine Kraft in mir, von der ich bis dahin gar nichts geahnt hatte.»

Äus­sere Schönheit ist zweitrangig, es ist ein Irrglaube, perfekt sein zu müssen.

Nach der Lehre zur Goldschmiedin zog sie mit 24 Jahren nach Spanien, um bei den grössten Meistern ihres Fachs zu lernen. Einer davon, Enrique El Cojo, war übergewichtig und gehbehindert. «Er hat mir beigebracht, dass die äus­sere Schönheit zweitrangig ist und dass es ein Irrglaube sei, perfekt sein zu müssen.» Vielmehr gehe es im Flamenco darum, Gefühle auszudrücken. «Jedes Gefühl lässt sich im Flamenco tanzen. Humor und Fröhlichkeit, aber auch Tod und Trauer. Ich brauche diese Gegensätze auch im Tanz.»

Aus der «grauen Maus», wie sich Nina Corti bezeichnet, wenn sie von sich als Kind und Jugendlicher spricht, wurde eine weltberühmte Flamencotänzerin. Als erste Tänzerin entfernte sie sich von den klassischen Flamenco-Strukturen und bezog neue Instrumente wie Saxofon, Kontrabass, Klavier, Flöte, Cello oder Violine mit ein. Und sie tanzte auch in Jeans: «Der eigentliche Ausdruck des Flamenco hat nichts mit dem Rüschenrock zu tun. Das wollte ich damit zeigen.»

Tanz als Therapie

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, in den 1980er- und 1990er-Jahren, trat sie mit Superstars wie den Gipsy Kings oder José Carreras auf und tanzte in den berühmtesten Konzertsälen der Welt, wie zum Beispiel der Royal Albert Hall in London. «Ich empfand mich selber nie als Star und habe diese oberflächliche Scheinwelt stets gemieden», betont sie. Ihr Privatleben sei steinig gewesen, und der Weg zur selbstwussten Persönlichkeit habe Kraft gekostet. «Das Tanzen hat mich am Leben erhalten, es war wie eine Therapie. Ich bin dankbar für diese Gabe, ohne die ich untergegangen wäre.»

Dieses Jahr feierte Nina Corti ihren siebzigsten Geburtstag und fünfzig Jahre Flamenco. «Ich teile meine Kräfte heute anders ein, achte bewusster auf meinen Körper», erzählt sie. Sie hat heute nicht mehr so viele Vorstellungen, widmet sich vor allem dem Unterrichten in ihrem Tanzstudio in der Schaffhauser Altstadt. «Und doch erstaunt mich , was ich noch alles machen kann. Zum Beispiel traue ich mir weiterhin zu, den Bolero von Ravel zu tanzen, der 17 Minuten dauert. Auf der Bühne spüre ich eine Kraft, auf die ich mich verlassen kann.»

In ihrem Studio unterrichtet Nina Corti auch Personen, die über achtzig sind. «Ich hole sie dort ab, wo sie stehen, und teile sie in die richtigen Klassen ein, damit sie sich nicht überfordert fühlen.» Sie versucht, die Leute zu sich selbst zu führen, das sei ein Stück weit auch Therapie. «Mein Ziel ist es, mit meinen Schülerinnen und Schülern am echten Ausdruck zu arbeiten. Das finde ich wertvoller, als komplizierte Choreografien aufzustellen.» Das Unterrichten bringe zudem viele wertvolle Begegnungen. «Früher war ich sehr einsam abseits der Bühne. Heute kann ich mich mit den Leuten, die zu mir ins Studio kommen, austauschen und viele schöne Momente erleben.» Das Tanzen wird Nina Corti weiter begleiten. «Ich werde tanzen, solange ich dazu in der Lage bin, und hoffe, das wird noch lange der Fall sein.»

Unsere Empfehlungen

Vom Liebes- zum Weihnachtslied

Vom Liebes- zum Weihnachtslied

Vor 200 Jahren entstand «O Tannenbaum». Ursprünglich als Trinklied eines Verschmähten gedacht, wurde es zu einem der beliebtesten Weihnachtslieder. Auch hinter anderen viel gesungenen Weihnachtsliedern verbergen sich wunderbare Geschichten.