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«Nonstop Arbeit und im Alter kein Geld?»

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29.05.2017
Wie wirkt sich Teilzeitarbeit auf Partnerschaft, Familie und Altersvorsorge aus? Welche Risiken birgt sie vor allem für Frauen? Fachleute aus Kirche, Politik und Wirtschaft diskutieren über Gefahren und Lösungen.

Wenn schon Teilzeitarbeit, dann mindestens 70 Prozent. Dies empfiehlt die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten SKG. Arbeitet man weniger, droht Altersarmut, die hierzulande vor allem Frauen betrifft. Dies ergab eine Studie, die im Auftrag der SKG die Auswirkungen von Teilzeitarbeit auf die Altersversorgung untersuchte. Unter dem Titel «Nonstop Arbeit und im Alter kein Geld?» beschäftigt sich ein Podium mit Beteiligung kirchlicher Organisationen mit dem Thema.

Das Erwerbsmodell «Mann Vollzeit – Frau Teilzeit» habe das traditionelle Modell «Mann Ernährer – Frau Hausfrau» abgelöst, stellt die Studie fest. Teilzeitarbeit scheine die ideale Lösung zu sein, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Sie berge jedoch Risiken wie ungesicherte Arbeitsverhältnisse, schlechtere soziale Absicherung, geringere Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. «In der Konsequenz müssen namentlich Frauen im Alter häufig Ergänzungsleistungen zur AHV in Anspruch nehmen», heisst es bei der SKG. Besonders gefährdet seien Frauen nach einer Scheidung.

Auffallend ist, dass nicht nur Frauen mit Familie Teilzeit arbeiten. Gemäss der Studie arbeiten «etwas weniger als 50 Prozent der alleinstehenden, kinderlosen Frauen Vollzeit». Bei den Single-Männern seien es dagegen rund 72 Prozent. Haben Frauen einfach keine Lust auf Arbeit? «Nein», sagt Judith Borter, Leiterin der Fachstelle für Genderfragen und Erwachsenenbildung der Reformierten Kirche Baselland. «Viele Frauen, die keine Kinder haben, leisten Care-Arbeit, das heisst, sie betreuen ihre Eltern oder machen es wie ich – ich kümmere mich neben dem Job intensiv um meinen Bruder mit Down-Syndrom.» Für viele zähle eine sinnvolle Beschäftigung oder die Zeit, die sie mit Familie und Freunden verbringen, mehr, als viel Geld zu verdienen, meint Judith Borter. Die Fachfrau für Gleichstellungsfragen rät Frauen und Männern, sich früh genug mit ihrer Altersvorsorge zu beschäftigen, auch wenn dieses Thema in jungen Jahren in weiter Ferne scheint.

Handlungsbedarf in der Schweiz
In ihrem Bekanntenkreis beobachtet Judith Borter immer wieder, dass viele Frauen nach wie vor mit dem Mann als Versorger rechnen. Andererseits sei der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach der Babypause schwierig. «Die Schweiz besteht diesbezüglich Handlungsbedarf.» Bezahlbare Kita-Plätze seien rar und Firmen oft schlecht auf werdende Eltern vorbereitet.

Handlungsbedarf sieht die Studie bei allen Akteuren: Frauen und Männer müssten sich mit ihrer Altersvorsorge auseinandersetzen, Pensionskasse und AHV sollten besser informieren und Politik und Wirtschaft die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.

Und die Kirche? Sie lebt vom Engagement von Freiwilligen, in der Mehrheit Frauen. Trägt sie damit zur Zementierung der bestehenden Verhältnisse bei? «Es stimmt, dass wir uns als Kirche kritisch hinterfragen müssen, welche Geschlechterrollen wir vorleben», sagt Judith Borter. «Die Kirche trägt dann nicht zur Zementierung bei, wenn sie es schafft, vermehrt Frauen und Männer gleichermassen für Freiwilligenarbeit zu gewinnen.» Das Ziel müsse sein, «dass ein Mann im ‹Fiire mit de Chlyne›-Team genauso selbstverständlich mitmachen kann, wie eine Frau im Amt der Synodepräsidentin willkommen ist».

Karin Müller, 29. Mai 2017

 

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