«Paul, you have done a good job!»
«Paul, you have done a good job – Paul, du hast gute Arbeit geleistet.» Mit diesen Worten bedankte sich Nelson Mandela 1993 während seines Besuchs beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf (ÖRK) beim St. Galler Pfarrer Paul Rutishauser. Der Weltkirchenrat hatte eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Apartheid gespielt. Und Rutishauser hatte 1974 die Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) in der Schweiz mitgegründet.
1981 machte der Pfarrer und Präsident der AAB einen Studienaufenthalt in Südafrika. Dass er überhaupt ins Land einreisen konnte, ist einer Verwechslung von Vor- und Nachnamen zu verdanken. Rutishauser nutzte alle Kontaktmöglichkeiten, solange es ging. Drei Monate später wurde er ausgewiesen.
Die von Rutishauser präsidierte Anti-Apartheid-Bewegung setzte sich seit ihrer Gründung für einen Wirtschaftsboykott Südafrikas ein, prangerte immer wieder die Rolle der Schweizer Wirtschaft an und demonstrierte regelmässig in Zürich gegen die Geschäfte der Schweizer Banken mit Südafrika.
Versöhnung statt Rache
Leni Altwegg hat nur an einer dieser Kundgebungen auf dem Paradeplatz teilgenommen. Sie habe eine Rede über den reichen Jüngling in der Bibel gehalten, erinnert sich die 95-Jährige. «Demonstrationen waren nicht mein Ding», fügt sie an. Mandela lernte sie erst 1997 bei seinem ersten offiziellen Staatsbesuch als südafrikanischer Präsident in der Schweiz kennen. Da hatte sie sich schon fast dreissig Jahre lang gegen die Apartheid eingesetzt. Die Begegnung sei kurz und heftig gewesen, erzählt Altwegg: «Er kam strahlend auf mich zu, umarmte, drückte mich und dankte mir.» Für die pensionierte Zürcher Pfarrerin war Mandela ein «wahrer Christ». Nach 27 Jahren im Gefängnis habe er nicht auf Rache gesonnen, sondern Versöhnung vorgelebt.
Zufälliger Anfang
Die Geschichte von Altwegg mit Südafrika beginnt eher zufällig. 1970 nimmt die Zürcher Pfarrerin an einer Versammlung des Reformierten Weltbunds in Nairobi teil. Die Flüge sind alle teuer, darum entscheidet sie sich für einen mit Umsteigen in Johannesburg und nutzt die Zeit dort für einen Aufenthalt. Sie besucht das «Christliche Institut», eines der Zentren der Befreiungsbewegung, lernt den südafrikanischen Theologen und Anti-Apartheid-Aktivisten Christiaan Beyers-Naudé kennen.
Sie habe einiges gewusst über Südafrika, erzählt Altwegg. «Was ich dann aber sah, diese schreiende Ungerechtigkeit, machte mich fassungslos.» Daraufhin kehrt sie immer wieder ins Land zurück, beherbergt Gäste aus Südafrika bei sich zu Hause und arbeitet in zwei kirchlichen Kommissionen mit, die sich in der Schweiz mit der Apartheid befassen: Die eine beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK), die andere bei den evangelischen Hilfs- und Missionswerken.
Streit in den Kommissionen
«Wir haben oft gestritten in den Kommissionen», sagt Altwegg. Die Aktivisten forderten klare Worte und Boykottmassnahmen, die Kirchenleitungen aber fürchteten sich davor, Teile der Bevölkerung und Wirtschaftsführer vor den Kopf zu stossen. «Ein Tiefpunkt waren die sogenannten Bankengespräche», berichtet Altwegg. Für sie war von Anfang an klar, dass die Banken die Forderung nach einem Abbruch der Finanzbeziehungen mit dem Apartheidregime nicht ernst nehmen würden. Die Gespräche verliefen denn auch erfolglos.
Aufarbeitung seitens der Kirchen
2004 entschuldigte sich der Kirchenbund für die zögerliche Haltung der reformierten Kirchen in der Schweiz während der Apartheid und liess seine Aktivitäten, darunter die Bankengespräche, in drei Studien beleuchten. Die Dachorganisation der reformierten Kirchen bedauerte, dass sie «zu einseitig auf den Weg der guten Dienste und der Versöhnung setzte und den Menschen, die Opfer der Apartheid wurden, und jenen, die in unseren Kirchen ihre Stimme gegen dieses Unrecht erhoben, zu wenig Gehör und Unterstützung schenkte».
Christa Amstutz, reformiert.info, 18. Juli, 2019
«Paul, you have done a good job!»